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116. Die Vögel.
Cenz.)
Kleine Vögel legen, so lange ihre Legezeit dauert, jeden Tag, meist des
Morgens, ein Ei; große ruhen meist einen Tag um den andern oder jedes⸗
mal nur den dritten Tag. Zu brüten beginnt der Vogel erst, wenn er seine
volle Zahl gelegt hat. An der Seite des Eidotters liegt ein weißes Fleckchen,
Narbe genannt. Wird das Ei vom Vogel bebrütet, so bekommt die Narbe
durch die anhaltende Wärme (welche man auch künstlich geben kann) Leben.
Es bildet sich in ihm ein kleines Vögelchen, von dessen Herzchen Blutadern
10 nach derjenigen dünnen Haut hingehen, welche rings unter der Kalkschale liegt.
So tritt das Blut mit der Himmelsluft in Verbindung. Werden die feinen
Löcherchen der Eierschale mit irgend etwas, das keine Lufst durchläßt, zuge—
schmiert, so muß das sich entwickelnde Junge sterben, ersticken. Wenn daher
die Eier mit dem Inhalte eines zerbrochenen Eies beschmutzt werden, so muß
man sie mit lauwarmem Wasser sorgfältig abwaschen. Nach und nach füllt
das Tierchen das ganze Ei aus. Ist es vollstündig ausgebildet, so ritzt es
vermittelst eines harten Körnchens, das auf der Schnabelspitze sitzt und später
abfällt, von innen die Schale. Durch die so entstandene Offnung beginnt es
zu atmen, dehnt sich dabei aus, stemmt sich mit Füßen und Schultern gegen
die Eierschale und bricht hervor (kriecht aus). Die Dauer der Brütezeit richtet
sich ziemlich nach der Größe des Vogels. Bei den Kolibris dauert sie zwölf
Tage, bei unsern kleinen Singvögeln zwei Wochen, beim Huhn drei, bei der
Gans vier, beim Schwan fünf Wochen. Das Geschäft des Brütens wird vom
Weibchen besorgt. Bei vielen paarweis lebenden Arten wird dasselbe um
Mittag einige Stunden vom Männchen abgelöst. Beim Brüten fallen vielen
Vögeln die Federn der Unterseite zum Teil aus, wodurch die kahlen sogenannten
Brutflecken entstehen. Der Kuckuck brütet gar nicht selbst, sondern legt seine
Eier in fremde Nester.
Die Jungen der Singvögel kommen nackt aus dem Ei, haben nur einzelne
30 Flaumfedern und geschlossene Augen. Sie werden von der Mutter sorgsam
im Neste gewärmt, bis sie befiedert sind. Die jungen Raubvögel, sowie die
meisten Huhner, Stelz- und Schwimmpvögel kommen dicht mit Flaum bekleidet
aus dem Ei. Viele von ihnen bleiben im Nest; viele aber laufen oder
schwimmen alsbald mit der Mutter davon. Denjenigen jungen Vögeln, welche
das Nest gleich verlassen, wird die Nahrung von der Mutter nur gezeigt, und
sie müssen dann selbst zulangen. Die Raubvögel tragen die Beute herbei und
zerreißen sie, wenn sie groß ist, auf dem Rande des Nestes. Die Jungen
greifen mit den Schnäbeln selbst nach den Fetzen und würgen sie, oft mit
bieler Mühe, hinab. Vögel, welche ihre Jungen mit Körnern füttern, wie
die Hänfliige und Tauben, sammeln sich erst den Kropf voll, erweichen das
Futter darin, und speien es dann den Kinderchen in den weit aufgesperrten
Mund. Störche sammeln den Hals voll Käfer, Frösche u. s. w. Reiher
sammeln ihn voll Fischchen und speien dann die Sammlung in den Mund der
Kleinen. Bachstelzen und alle kleinen Vögel, die mit Kerbtieren füttern, tragen
„diese einzeln im Schnabel zum Neste und stecken die Speise in den weit auf—
gesperrten Schnabel der Jungen.
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