Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband])

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Nun, mir ist's auch so reeht. Wir können ja diesmal warten. 
Jeder Tag, den er drinnen verliert, zehrt an seinen Leibeskräften, 
und für uns werden die Tage zuletzt so gleiebgültig, daß man gar 
nicht mehr weib, ob Sonntag oder Wochentag ist. Wir haben 
unsere Aufgabe, und die wird abgesessen, mag es darüber No- 
vember oder Dezgember werden. Was sind ein paar Monate in dem 
Leben eines Volkes, das die Grundlage zu einer unabsebbaren Zu-— 
kunft legen will! 
Die Lage, in der wir also geduldig noch einige Zeit auf die 
Entscheidung warten wollen, ist für einen Laien gewib nicht ver- 
lockend, und ieh wünschte Ihnen nicht, dab Sie zum Dank für Ihre 
freundliche Erinnerung an uns einmal einen ‚sehlechten“ Tag hier 
mitmachen müßten. Ieh kann mieh noch dunkel des Gefühbls von 
Befremden erinnern, als ich vor 7 Mochen zuerst nach Maizieres 
kam, und damals war es noch warmer September und das Lager 
dieht an einem gröberen Dorfe, wo man doch einmal unterducken 
konnte. Jetzt aber liegen wir in einer flachen Bodenfalte, auf einer 
Wiese, in der das Wasser der benachbarten Ton- und Lehmäcker 
ausammenrieselt, und ziemlich weit von aller ,menschlichen“ Hilfe 
entfernt, dié Leute in langen, sehlecht mit Brettern gedeckten Erd— 
hütten, wir Offiziere in einer Bretterhütte, in der es bachweise durch- 
regnet, so dab wir immer darauf warten, dab sioh nächstens aueh 
einmal ein Frosch unter den lose gelegten Brettern, dem sogenannten 
Fubboden, zeigen soll. Mäusebesueh haben wir ohnehin jede Nacht 
mit Rücksicht auf unseren Lebensmittelvorrat; docherührt sieh solcher 
Kleinigkeiten wegen niemand, und man überläüßt es dem Morgen, die 
Gesellschaft wieder hinauszubringen. Hose, Rock und Paletot Lommen 
einem überhaupt nicht mehr vom Leibe; selbst die Mütze setæt man 
des Nachts nur dann ab, wenn man eine besonders günstige Liebes- 
Leibbinde*) besitæt, die dann als Schlafmütze bis über die Ohren ge- 
zogen wird. Ieh bin nur froh, daß ieh miceh trotz dieser wider- 
wartigen Zustände ganz wohl befinde. Wenn nur aueh unsere Leute 
so durehhalten wie bisher! Unsere Division hat blob 209, RKranke, 
bei anderen soll es viel soblimmer sein, bei unserem Bataillon sind 
es noch viel weniger. Nur dreekig sehen wir aus über alle Vor- 
stellung, und ich phantasiere niebt schöner, als wenn ieh mir den 
Zustand in und nach einem warmen Bade vorstelle. Aus dem Koch- 
geschirrdeckel, mit einem ewig nassen und sehmutzigen Handtueh 
kann man sieh kaum notdürftig Gesicht und Hände reinlieh halten. 
Glauben Sie aber nieht, dab wir deshalb auoh nur eine Stunde 
mibßmutig wären. Wer gerade an der Reihe mit Leibschmerzen ist, 
M „Liebesgaben“ (z. B. „Liebes Zigarren“) nannte man die für die Krieger 
bestimmten Geschenke.
	        
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