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Mutter an der Hand führte und ich immer drei Schritte machen
mußte, so oft sie einen tat, warf ich meinen kleinen Kopf auf zu
ihrem guten Gesicht und fragte: „Weshalb steht denn der Reiter
allfort auf der Wand oben, und weshalb reitet er nicht zum Fenster
hinaus auf die Gasse?“ Da antwortete die Mutter: „Weil du so
kindische Fragen tust, und weil es nur ein Bildnis ist, das Bildnis
des heiligen Martin, der ein sehr guttätiger, frommer Mann gewesen
und jetzt im Himmel ist.“ „Und ist das Roß auch im Himmel?“
fragte ich. „Sobald wir zu einem rechten Platz kommen, wo wir
rasten können, will ich dir vom heiligen Martin etwas erzahlen,“
sagte die Mutter und leitete mich weiter, und ich hüpfte neben ihr
her. Da wartete ich schon sehr schwer auf das Rasten, und in
einem fort rief ich: „Mutter, da ist ein rechter Platzl
Erst als wir in den schattigen Wald hineinkamen, wo ein
glatter, moosiger Stein lag, fand sie's gut genug; da setzten wir
uns nieder. Die Mutter band das Kopftuch fester und war still, als
habe sie vergessen, was sie versprochen hatte. lIch starrte ihr fort
und fort auf den Mund, dann guckte ich wieder zwischen den
Baumen hin, und mir war ein paarmal, als hätte ich dureh das Ge-
höõlz den schöõnen Reitersmann reiten sehen.
„Ja, mein Bübel,“ begann die Mutter plõtzlich, „allzeit soll
man den Armen Hilfe reichen um Gottes willen. Daß im Spatherbst
der eiskalte Wind ũber unsere Schafheide streicht, das weißt du
wohl, hast dir ja selber dort im vorigen Jahre schier die Taãtzlein
erfroren. Siehst du, völlig eine solche Heide ist's auch gewesen,
über die der Reitersmann Martinus einmal geritten ist an einem
spãten Herbssstabend. Steinhart ist der Boden gefroren, und das
klingt ordentlich, so oft das Roß seinen Fuß in die Erde setct.
Die Schneeflõcklein tãanzeln umher, kein einziges vergeht. Schon
will die Nacht anbrechen, und das Roß trabt ũber die Heide, und
der Reitersmann zieht seinen weiten Mantel zusammen, so eng es
halt hat gehen mögen, Bübel; und wie er so hinfährt, da sieht er
auf einmal ein Bettelmannlein kauern an einem Stein, das hat nur
ein zerrissenes Jõppel an und zittert vor Kalte und hebt sein be-
trübtes Auge auf zum hohen Roß. Hu, und wie das der Reiter
sieht, halt er sein Tier an und ruft zum Bettler nieder: Ja, du lieber
Mann, was soll ich dir reichen? Gold und Silber hab' ich nicht,
und mein Schwert kannst du nimmer gebrauchen. Wie soll ich dir
helfen? — Da senkt der Bettelmann sein weißes Haupt nieder gegen
die halbentblöbßte Brust und tut einen Seufzer. Der Reiter aber
zieht sein Schwert, zieht seinen Mantel von den Schultern und