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Eisbuckel wachsen selbst an ihren schnellgedrehten, am raschesten schwingenden
Organen, alle Zwischenräume füllen sich mit hartgefrorenem Schnee, und der
Blick in die Teile der Maschine wird schwieriger und unsicherer.
„Ich glaube, die Pumpen frieren zu bei dem Wetter,“ sagt Zimmer⸗
mann. „Wir wollen sie ein wenig spielen lassen.“
Er will die Hand nach den Griffen ausstrecken, den Kopf dahin wenden,
fühlt aber die kräftige Faust am Körper festgehalten und empfindlichen
Schmerz am Kinn. Die nasse Kleidung der Männer hat sich in einen
starren Eispanzer verwandelt, Bart und Pelz sind in eine Eismasse zu—
sammengeronnen, die dicke Pelzmütze ist zu einem drückenden Helme ge⸗
worden; an den Augenwimpern hängende Eiskügelchen lassen die Lichter
der auftauchenden zweiten Station in tausend Farben spielen. Sie reißen
die am Rocke festgefrorenen Ärmel los, sie strecken prasselnd und knisternd
die Glieder, sie tauen die am Lippenbarte hängenden Eiszapfen im Munde
auf, der, selbst halb erstarrt, nur schwierig Worte hervorbringt
„Station Rodenkirchen! Zwei Minuten!“ — Vorwärts, vorwärts! —
Unablässig weht der Schneesturm, dicker werden die Eiskrusten der Pelze,
schwerer die immer mehr auf den Schultern lastende Kleidung, müder die
erschütterten, durchdröhnten Glieder.
Die Stationen spinnen sich langsam ab, die Entfernungen scheinen
mit der Ermüdung zu wachsen. Unaussprechliche Schlafsucht beschleicht die
Männer.
Sie reißen die müden, entzündeten Augen auf, entsetzt über die emp⸗
fundenen gefährlichen Anwandlungen, die sich dennoch unwiderstehlich wieder⸗
holen. — „Gottlob! es ist bald vorüber. Noch eine halbe Stunde.“
Vorwärts, vorwärts!
„Alter „Greif“,“ sagt Zimmermann zu seiner Maschine, die dick beeist,
mit Schnee überkrustet, mit verschlacktem Roste schwerer und schwerer ihre
Pflicht erfüllt; „wir kommen heute beide wie die Eisbären an, beide erstarrt,
durchfroren, todmüde — das war eine böse Nacht für uns beide — du
sollst Pflege haben, sauber gemacht werden, von Rad zu Schornstein, und
ich — ich will mich wärmen und auftauen. — Gott sei Dankl! da ist Hoch—
feld, die Endstation!“
Mühsam hob er den starren Arm im steifgefrorenen Ärmel, um zu
pfeifen, als die Gebäude der großen Station im ungemütlichen Lichte eines
stürmischen Wintermorgens, mit hier und da noch in den Fenstern glimmenden
Lichtern, dicken Eiszapfen an den Dächern und all ihrer Ode und Unbehag⸗
lichkeit zum Vorschein kamen.
Dröhnend rollte der Zug mit den letzten Atemzügen der fast verlöschenden
Maschine in die nur spärlich erleuchtete Halle. Der Inspektor steht im
Morgenpelze verdrießlich auf dem Bahnsteig. Mühsam sich bewegend, starr
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