Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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Mitten im Winter war's, da brachten sie unser Margretchen vom 
Schlosse herab in die Lindenhütte. Sie war plötzlich bedenklich erkrankt, — 
und ein krankes Mädchen hatten die oben im Schlosse ja nicht gedingt. 
Trotz der sorgsamsten Pflege, die unsere Eltern der kranken Schwester 
angedeihen ließen, ward sie doch immer kränker. Tag und Nacht mußte 
jemand an ihrem Bette stehen, das der Vater rasch in der Stube auf— 
geschlagen hatte. 
Nachts versah der gute Hanfrieder zumeist den Wartedienst; er würde 
des gar nicht müde, pflegte er zu antworten, wenn einer kam, ihn abzulösen. 
Die Eltern mußten die Ablösung fast mit Gewalt erzwingen. Schließlich 
aber war es aus mit der anscheinend unerschütterlichen Stärke und Stand— 
haftigkeit Hanfrieders. Margretchens schwere Krankheit hatte sich unvermerkt 
auch bei ihm eingenistet. Mit Aufwendung all seiner Kraft hatte er gegen 
den ihn anpackenden Würger angekämpft; er wollte und wollte sich nicht ge⸗ 
wonnen geben. Da — als er die Art ergreifen will, um mit dem Vater 
etliche Stunden nach dem Holzhau zu gehen — sinkt er ohnmächtig um. 
Nun hat natürlich auch der Vater seine Axt in die Ecke stellen müssen. 
Er holte das Bett von der Bodenkammer und schlug es an die Stelle 
des Tisches, der nun seinen Platz ganz vorn in der Stube vor dem 
Schranke erhielt. 
Zu der Stunde hatte es der Vater noch nicht geahnt, wie lange die 
Zeit werden sollte, ehe er wieder ins Holz gehen würde. Der Arzt, der 
aus Tannenfeld herbeigeholt werden mußte, zog eine sehr bedenkliche Miene 
und sprach vom Nervenfieber. 
Es dauerte nicht lange, da mußte auch Hanneliese die Flügel sinken 
lassen. Die Eltern bereiteten ihr eine Stelle neben Margretchen. Etliche 
Stunden später kam die Krankheit bei Stineliese und den drei Jüngsten 
zum Ausbruch. 
Der Leidenskelch sollte indes noch voller gefüllt werden. Nach etlichen 
Tagen sank auch die Mutter zusammen. Wie sehr sie mit sich rang — sie 
kam nicht wieder auf. Nun war es, als hätte die tosende Flut unser 
Schifflein verschlungen, als ragte nur noch der Mastbaum aus dem brausen⸗ 
den Meere. 
Obwohl die Leute unserer Freundschaft ab- und zugingen, lag doch 
eine ungeheure Last auf den Schultern des Vaters; er kam Tag und Nacht 
nicht von den Beinen. Aber er trug die schwere Last mit unverwüstlicher 
Ausdauer und ergebungsvollem Herzen. Wie habe ich den Vater so herr— 
lich stark, so innerlich gerüstet gesehen in jener Zeit schwerster Not! „Wenn 
nur ich und das Friedesinchen hoch bleiben!“ sagte er manchmal. Und der 
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