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keine Luft auf dem Monde, so folgt daraus, daß auch kein Wasser hier sein
kann; denn im luftleeren Raume verdunstet Wasser vollständig.
Soweit unser Auge reicht, sehen wir um uns Gebirge und Täler, wie
sie auf den Mondkarten abgebildet sind. Wir bemerken auf der Oberfläche
noch gar viele Dinge; aber wir wissen nicht, was es ist. Vielleicht sind es
Pflanzen? Aber Pflanzen nach unsern Begriffen können es nicht sein. Die
Pflanze lebt von Luft und Wasser und luftartigen und wasserförmigen
Speisen; hier aber ist nichts Derartiges vorhanden: kein Wasserstoff, kein
Stickstoff und am allerwenigsten Kohlenstoff. Ist aber keine Pflanze hier
zu finden, wovon sollen dann Tiere oder gar Menschen hier leben?
Wir müssen also auf Umgang mit Menschen verzichten und, so gut es
geht, uns anderweitig unterhalten. Da wir nun aus Mangel an Luft völlig
taub sind, so wollen wir wenigstens Hände und Beine nach Herzenslust ver—
wenden. Und dies gelingt gar prächtig. Vor allem fühlen wir uns so
leicht, daß wir uns eher wie Vögel als wie Menschen vorkommen. Die
Anziehungskraft auf der Oberfläche des Mondes ist sechsmal schwächer als
auf der Erde. Unsere Glieder können wir daher mit außerordentlicher
Leichtigkeit heben. Jeder von uns, der unten auf der Erde mit einem Satz
höchstens auf einen Tisch springen könnte, springt hier mit gleicher Anstrengung
auf einen Hügel von sieben Meter Höhe. Berge besteigen ist hier ein Spaß.
Wir setzen mit Leichtigkeit über einen Abgrund, der sieben Meter breit ist.
3. Aber was hilft es uns, daß die geringe Anziehung des Mondes uns
die Arbeit sechsmal so leicht macht, wenn der Tag auf dem Monde zwei
volle Wochen dauert, also die Zeit der Arbeit vierzehnmal so lang ist als
auf Erden? — Volle zwei Wochen? — Ja, volle zwei Wochen und sogar
noch achtzehn Stunden darüber! Der Mond dreht sich nämlich nicht in
vierundzwanzig Stunden um seine Achse; man kann fast sagen, er mache gar
keine eigentliche Umdrehung. Er läuft in ungefähr einem Monat um die
Erde, deren steter, treuer Begleiter er ist. Bei diesem Umlauf wendet er
immer nur die eine Kugelhälfte der Erde zu. Wie die andere Hälfte des
Mondes aussieht, das hat noch kein Menschenkind gesehen, und das werden
wir auch nie sehen. Er gleicht jenen Dienern großer Herren, die diesen
stets das Gesicht zukehren und niemals den Rücken zeigen. Während die
Erde sich täglich umdreht und deshalb vom Monde aus von allen Seiten
gesehen werden kann, geht der Mond um die Erde, als ob er auf einer
Stange angespießt wäre, und läßt sich von den Erdbewohnern stets nur von
der einen Seite besehen. Um sich von der Sonne von allen Seiten be—
leuchten zu lassen, muß er erst seinen ganzen Umlauf um die Erde vollenden.
Da dies 29 Tag dauert, so ist ein Tag und eine Nacht auf dem Monde
zusammen so lang, wie 29 Tage und 29 Nächte auf der Erde sind.
Einen solchen Tag von 14 Tagen und 18 Stunden Länge ließe man