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Gang, der air beiden Seiten durch schwere, eisenbeschlagene Tor¬
flügel geschlossen werden konnte. Über den Stadtgraben führte die
aus starken Bohlen gezimmerte Zugbrücke; sie hing an dicker Eisen¬
kette. Abends, wenn man die Tore schloß, wurde sie aufgezogen.
Stadtknechte in Lederwams und Eisenhut, mit Spieß und kurzem
Schwert bewaffnet, hielten die Torwache.
Hoch über die Stadtmauern erhoben sich die Türme der
Kirchen. Auf einem Hügel inmitten der Stadt prangte gleich
einer festen Burg der Dom. Hell blitzte seine goldene Kuppel im
Strahl der Sonne. Er und die in der Nähe liegenden Wohngebäude
des Bischofs und der Domgeistlichen bildeten den Kern der Stadt,
um deu die anderen Stadtteile erst nach und nach entstanden waren.
Noch standen die alten, vom Bischof Bcrnward um das Jahr 1000
errichteten Mauern, die die Domburg von der eigentlichen Stadt
abgrenzten. Auch in den Straßen fand man hin und wieder Reste
alter Befestigungswcrke; sie waren nach den vielfachen Erweiterungen
des Stadtgebiets stehen geblieben. Gegen die Neustadt hatte man
sich sogar, wie gegen einen Feind, durch Mauer und Graben ab¬
geschlossen. Das Kcmpentor, das die beiden Stadthälften mitein¬
ander verband, wurde auf der einen Seite von den Altstädtern, auf
der anderen von den Neustädtern allabendlich geschlossen.
Außer dem Dom gab es mehr als dreißig Kirchen und Kapellen,
und die Sage erzählt, der Teufel habe sich über ihre große Anzahl
so geärgert, daß er einmal einen gewaltigen Stein vom Escherberge
nach der Martinikirche geworfen habe, um wenigstens diese zu zer¬
stören. Er warf aber zu kurz, und der Stein fiel nahe vor dem
Ziele zu Boden. Überall standen Gotteshäuser, auf den freien
Plätzen, wie in der engen Häuserreihe und im stillen Gehege der
Klosterhöfe. Einige waren unvollendet. Der Bau der Andreas¬
kirche war schon vor mehr als hundert Jahren begonnen, aber die
häufigen Fehden der Stadt hatten sein Fcrtigwerden immer ver-