Full text: [Oberstufe, [Schülerband]] (Oberstufe, [Schülerband])

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eine ungewöhnliche, indem es in einer Stunde mit Leichtigkeit zwei 
deutsche Meilen zurücklegt; allein es ist nötig, daß man es spätestens 
in der dritten Stunde abloͤst, damit es nicht buglaͤhm werde, in welchem 
Zustande es ganz entmutigt auf dem Boden sich ausstreckt, nicht wieder 
duf die Beine zu bringen ist und geschlachtet werden muß. 
Im Herbste, wenn die Tiere fett sind, schlachtet der Lappe von den 
älteren der Herde, was er missen kann. Das Renntier ist ausge⸗ 
wachsen so groß als ein starker Hirsch. Braten und Keule schmecken ähn⸗ 
lich wie Hirschbraten, das Fleisch ist aber weicher und saftiger. Die 
Keulen werden auch geräuchert und als Renntierschinken weit versandt. 
Mügge. 
192. Der Heringsfang an der Küste von Norwegen. 
Kaum giebt es ein wunderbareres Geschöpf als den Hering, dessen 
Geschichte in den tiefsten Tiefen des großen Salzwassers noch gar nicht 
so genau erforscht ist, als man meinen mag. Unter allen den kalt⸗ 
blütigen Geschlechtern in beschuppter Haut ist das seine wahrscheinlich 
das zahlreichste; denn wer zählt die ungeheuern Schwärme, welche jähr⸗ 
lich aus den Meerestiefen aufsteigen, an allen Küsten des nördlichen 
Europas erscheinen, zu Milliarden gefangen werden, zu Milliarden, eine 
Beute der Raubfische, erliegen und doch immer wieder in der gleichen 
zahllosen Fülle zum Vorschein kommen! Der Hering erscheint und ver— 
schwindet mit bewunderungswürdiger Regelmäßigkeit. Lebt er eine Zeit 
lang in dem fernen Polarmeere, hat er dort in Tiefen, wohin kein Senk⸗ 
blei reicht, seinen geheimen Staat gegründet, und zieht er von dort wie 
die Reilerxvölker der Steppen jährlich aus, um die Meere zu durch⸗ 
schwärmen? Man kann sich solchen Träumen hingeben, wenn man von 
den Heringskönigen hört, welche die Schwärme anführen und in ihren 
silberglänzenden Rüstungen ihnen voraufziehen. Die Heringskönige sind 
Sensenfische, welche dreĩi Meter lang werden und häufig als Prinzen und 
Herzöge den gewaltigen Zug zu leiten scheinen. Man weiß nun wohl, 
daß der Hering im Frühjahr an die norwegische Küste schwimmt, um 
zu laichen, und wieder abzieht, sobald dieses Geschäft verrichtet ist; aber 
es erscheinen im Sommer und Herbst auch andere Scharen von junger 
Mannschaft, welche vielleicht von fernen Brüteplätzen kommt. 
Zu allen Zeiten aber ziehen einzelne unermeßliche Heere aus, bald 
nach Schottland hinuber, bald in die Ostsee, bald nach Hollands Küsten, 
bald an die Fjorde der Finnmaͤrken oder tief hinab an die norwegische 
und schwedische Küste, durch das Kattegat und den Sund; und so genau 
ist der Mensch von ihrem Kommen und Gehen unterrichtet, daß er alles 
vorher zu ihrem Empfange vorbereiten kann. Woher sie kommen, wohin 
sie gehen, das weiß er freilich nicht, aber den Fischern und Kaufleuten 
ist es genug: sie sind da! und sie eilen, diesen Besuch zu benutzen. Der 
Hering erscheint jährlich dreimal an der Küste von Norwegen, aber der 
Hauptfang geschieht im Februar. Es ist dies die Frühlingsfischerei; sie 
uͤefert die größte Menge und die fetteste, größte Art des Fisches. Auf 
einem kleinen Raume zwischen Bergen und Stavanger sind im Februar
	        
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