Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

Zweite Abteilung. 
194. Aus dem Nibelungenliede. 
1. Kriemhilds Ciebe. 
a. Wie Siegfried Kriemhild zur Gemahlin begehrte. 
Am Königshofe zu Worms fand man gar kühne Helden. Da waren 
die drei edeln Brüder Gunther, Gernot und der junge Giselher. Ihnen 
diente der grimme Hagen von Tronje, sein Bruder Dankwart und Volker 
von Alzei, der lustige Spielmann. Keiner übertraf Siegfried, den starken 
Königssohn von Niederland. 10 
Mit den unverzagten Burgunden zog der Held in den Streit wider 
die Sachsen und den Dänenkönig. Stets war er der erste im Kampfe, 
und vor seinen Schwertschlägen hielt kein Gegner stand; die feindlichen 
Fürsten nahm er gefangen. Als die Sieger zurückgekehrt waren, empfing 
ihn Kriemhild, die Schwester Gunthers, und sagte ihm freundlichen Dank 15 
für seine tapfere Hilfe. Aus keinem Munde hätte der Held lieber Dank 
gehört als von ihr. Sie war schön, und Siegfried hatte die Jungfrau 
von Herzen lieb. Er bat daher Gunther, ihm seine Schwester zur 
Gemahlin zu geben. Der König versprach es, wenn Siegfried ihm helfe, 
die starke Königin Brunhild von Isenstein zu gewinnen. Die Hilfe 20 
ward mit Freuden zugesagt. 
b. Wie Gunther um Brunhild warb. 
Ein prächtiges Rheinschiff wurde zur Abfahrt gerüstet. Siegfried 
führte selbst das Steuer, und König Gunther und seine stolzen Heer— 
gesellen ruderten so kräftig, daß das Schiff pfeilschnell die Wogen durch- 25 
schnitt. Am zwölften Morgen sah man den Isenstein aus dem Meere 
auftauchen. Sechsundachtzig hohe Türme zählten die Ritter, und drei 
weite Paläste aus grünem Marmor schimmerten am Gestade. In voller 
Rüstung, den goldfarbenen Schild in der Linken, hielten die kühnen 
Helden ihren Einzug. Siegfried warb um Brunhild und gab an, daß 30 
König Gunther sein Herr sei. Die Königin aber erklärte, nur der solle 
Gabriel u. Supprian, Lesebuch. B. IL. W. 9
	        
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