Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

seiner Kirschen recht süß und rosig gebraten hat. Denn der LKirsch— 
baum will es, daß seine Uirschen von Spatzen und Menschen und 
anderen Räubern verspeist werden, die die harten Steine ausspucken 
und so in weitere Ferne verbreiten als er selbst, der an seinem 
Wohnort festgewachsene, es durch bloßes Fallenlassen der Kirschen 
tun könnte. Und manche Palmen gehn noch weiter, indem sie 
verlangen, daß die Tiere, die sie mit ihren Früchten speisen, die 
Kerne verschlucken und ihnen in ihrem Innern die feuchte Wärme 
zuteil werden lassen, die erforderlich ist, damit sich die Keimkraft 
der Samen entwickele. Die Verbreitung der Muskatnuß beruht 
darauf, daß ihre Kerne von gewissen Taubenarten verschlungen 
werden, und die Samen der Mistel werden von den Vögeln, welche 
die Mistelbeeren genießen, nicht nur verbreitet, sondern auch in die 
Kronen der Bäume getragen, wo allein die junge Mistelpflanze ihren 
richtigen Standort findet. Ceistung und Gegenleistung! 
Das großartigste Kapitel aber in der Geschichte der Handels— 
politik der Pflanzen und Tiere sind die von Darwin selbst be— 
gonnenen und in neuerer Feit so glänzend weitergeführten Studien 
über die Befruchtung der Pflanzen. Unerschöpflich in ihrer Mannig— 
faltigkeit und Eigenart sind die hier aufgedeckten Hilfsmittel der 
Reklame, des lauteren und unlauteren Wettbewerbes, der schlauen 
Schutzmaßregeln gegen eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, der 
Barzahlung nach empfangener Leistung. Die Blume duftet in 
die Welt hinaus: „Ich habe Honig zu verkaufen!“ Die Biene 
meldet sich als Käufer. „Spazieren Sie nur herein,“ sagt die Blume, 
„aber drücken Sie gefälligst auf den Hebel, der aus meinem Schlunde 
heraushängt, dann wird sich die Tür meiner Nektarien öffnen!“ 
Die Biene drückt. „Danke schön,“ sagt die Blume, „Sie haben mir 
einen wesentlichen Dienst erwiesen, als Entschädigung dürfen Sie 
ein Milligramm Nektar schlürfen!“ Die Biene schlürft. „Guten 
Morgen,“ sagt die Blume, „geben Sie mir bald wieder die Ehre!“ 
Wohl handelt es sich bei solchen Geschäften in Wald und Wiese 
um das Dasein beider Teile. Die Biene muß Honig schlürfen, 
wenn sie nicht verhungern will, und die Blume will befruchtet 
werden, wenn ihre Art nicht aussterben soll. Aber wo ist da, so 
frage ich, der Kampf aufs Messer, bei dem einer zugrunde gehen 
muß, um dem anderen Platz zu machen ? Raum für alle hat die 
Erde, für die Biene und die Blume. So kommen denn Biene und 
Blume zueinander als gewiegte Naufleute und machen miteinander 
ein Geschäft, bei dem jeder seine Rechnung findet. 
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