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3. Einer nur, der beste Recke,
Roland, atmet noch allein;
an bemooster Felsenecke
sitzt er dort im Abendschein.
4. Wie die halbgefällte Eiche
tief getroffen bis ins Mark,
neigt er's Haupt, das totenbleiche,
und die Wunden bluten stark.
5. Treues Schwert, das in den Fehden
ritterlich den Sieg gewann,
deine Blitze schreckten jeden,
der auf Trug und Frevel sann!
6. Mit dem Übermut zu rechten,
der die Schwachen unterdrückt,
für die Unschuld treu zu fechten,
hat mein Arm dich oft gezückt!
7. Doch die letzten Kräfte schwinden,
scheiden muß ich, gutes Schwert!
Wird dich nun ein Ritter finden,
ehrenhaft und deiner wert?
8. Sollt' ein Bube dich erwerben,
der mit Frevel dich entehrt?
Sollte dich ein Feiger erben,
daß dich bald der Rost verzehrt?
9. Ach, mir bricht das Herz vor Leide,
kann dich nicht verlassen sehn;
treues Schwert, wir wollen beide
miteinander untergehn!"
l O. Dreimal, daß die Funken stieben,
haut er auf den Felsen ein;
doch sein Schwert ist ganz geblieben
und zerspalten nur der Stein.
11. In fein Horn von Elfenbeine
stößt er jetzt mit aller Macht,
ob im Tal, ob wo im Haine
noch ein Held, ein Bruder wacht.
12. Dreimal rief er in die Runde,
bis das Hifthorn barst entzwei;
sieh, da eilt zur guten Stunde
Dieterich, der Held, herbei.
13. „Eile, Bruder, denn ich sterbe;
hier meinSchwertund hier mein Roß!
Nimm sie hin, sei du mein Erbe,
wie du warst mein Kampfgenoß!
14. Gott mit dir! Ich fahr' in Frieden
zu den Brüdern, zu dem Herrn."
Roland fprach's, und hingeschieden
ist des Rittertumes Stern.
118. Kaiser Otto I.
v. Mühler.
1. Fu Quedlinburg im Dome ertönet Glockenklang,
der Orgel Stimmen brausen zum ernsten Chorgesang:
es sitzt der Kaiser drinnen mit seiner Ritter Macht,
voll Andacht zu begehen die hcil'gc Weihenacht.
2. Hoch ragt er in dem Kreise mit männlicher Gestalt,
das Auge scharf wie Blitze, von goldnem Haar umwallt;
man hat ihn nicht zum Scherze den Löwen nur genannt,
schon mancher hat empfunden die löwenstarke Hand.
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