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Die Glocken tonen zmn erstenmal
vom neuen Thurme mit klagendem Ton'.
Wem gilt der traurige Glockenschall?
Er gilt dem Vater und seinem Sohn.
Der Tod hat die Liebenden nimmer geschieden.
Sie ruhen zusammen vereinet in Frieden.
127. Kindesdank.
Ein Fürst traf auf einem Spazierritte einen fleißigen
und frohen Landmann bei dem Ackergeschäfte an und ließ
sich mit ihm in ein Gespräch ein. Nach einigen Fragen
erfuhr er, daß der Mann den Acker nicht als Eigenthum
hatte, sondern als Taglöhner um fünfzehn Kreuzer arbeitete.
Der Fürst, der für sein schweres Regierungsgeschäft freilich
mehr Geld brauchte und zu verzehren hatte, konnte es in
der Geschwindigkeit nicht ausrechnen, wie es möglich sei,
täglich mit fünfzehn Kreuzern auszureichen und noch so
frohen Muthes dabei zu sein, und verwunderte sich darüber.
Aber der brave Mann im Zwilchrocke erwiederte ihm: „Es
wäre mir übel gefehlt, wenn ich so viel brauchte; mir
muß ein Drittheil davon genügen. Mit einem Drittheil
zahle ich Schulden ab, und das übrige Drittheil lege ich
auf Kapital an." Das war dem guten Fürsten ein neues
Räthsel. Aber der fröhliche Landmann fuhr fort und
sagte: „Ich theile meinen Verdienst mit meinen armen
Eltern, die nicht mehr arbeiten können, und mit meinen
Kindern, die erst lernen müßen; jenen vergelte ich die
Liebe, die sie mir in meiner Kindheit erwiesen haben, und
von diesen hoffe ich, daß sie mich einst in meinem müden
Alter auch nicht verlaßen werden." War das nicht gut
gesagt und noch besser und edler gedacht und gehandelt?
Der Fürst belohnte die Rechtschaffenheit des Mannes und
sorgte für seine Söhne; der Segen aber, den dem Wackern
seine sterbenden Eltern gaben, wurde ihm von seinen
dankbaren Kindern durch Liebe und Unterstützung redlich
zu Theil.
128. Liebe zur Mutter.
Auf der zu Dänemark gehörigen Insel Seeland ist
ein kleiner See, Merom genannt, in dessen blauen Wellen