Full text: [Teil 6 = Oberstufe 2, [Schülerband]] (Teil 6 = Oberstufe 2, [Schülerband])

Hausgeräten versehen, und Sesi mußte selbst eingestehen, daß ein 
ielmaßiger Buͤrger kostbarer wohne als der Groß⸗Schatzmeister 
seines Reiches. Er schämte sich dieser zweiten Täuschung und 
wollle sich entfernen, als ihm ein Höfling eine Thür am Ende 
eines Ganges zeigte, die mit zwei starken, eisernen Riegeln ver⸗ 
schlossen war. Der König ging näher und fragte Ali Beg, was 
r uner so großen Schlössern und Riegeln verwahre. Ali Beg 
schien erschrocken; eine hohe Röte überzog sein Gesicht; er sammelte 
ich aber wieder und sprach ruhig: „Hert, in diesem Gemache 
bewahre ich das Liebste, was ich auf der Welt habe, — mein wahres 
Eigentum. Alles, was du in diesem Hause gesehen hast, gehört 
dem Koönige, meinem Herrn; was dieses Zimmer enthält, ist mein. 
Aber es ist ein Geheimnis; ich bitte dich, verlange es nicht zu sehen.“ 
Dies ängstliche Betragen schien dem argwöhnischen Fürsten 
Gefühl der Schuld, und er befahl mit Heftigkeit, die Thür zu 
öffnen. Das Gemach that sich auf, und siehe da! vier weiße 
Waͤnde, miu einem Hirtenstab, einer Flöte, einem schlechten Kleide 
ind iner Hirlentasche geschmückt. — das waren die Schätze, 
welche die eisernen Schlösser und Riegel verwahrten. Alle An⸗ 
weseuden erstaunten, und Schah Sesi schämte sich zum drittenmal, 
als Ali Beg mit der größten Bescheidenheit also sprach: „Mäch⸗ 
tiger Königl' Als mich der große Abbas auf einem Berge antraf, 
wo ich eine Herde hülete, waren diese Armseligkeiten mein ganzer 
Reichlum, das Denkmal meiner glücklichen Kindheit; und der 
großmütige Fürst war zu gütig, als daß er es mir hätte nehmen 
wollen. Ich hoffe, Herr, auch du wirst es mir nicht nehmen und 
mich mit ihm in jene friedlichen Thäler zurückkehren lassen, wo 
ich in meiner Dürftigkeit glücklicher als hier im Überflusse war.“ 
Mi Beg schwieg, und alle Umstehenden waren bis zu Thränen 
gerührt. Der König aber zog sein Kleid aus und legte es ihm 
aͤn, äin Zeichen der höchsten Gnade; der Neid und die Verleum— 
dung waren mit Schande behslaen und konnten sich gegen diesen 
Edlen nie wieder erheben. Ali Beg lebte noch lange und genoß 
den Lohn seiner Tugenden schon auf Erden, und als er gestorben, 
waren Thraͤnen die slillen Lobredner an seinem Grabe. Alle 
Einwohner der Königsstadt begleiteten seine Leiche, und noch im 
Munde der Nachwelt hieß er immer der edle, uneigennützige 
Ali Beg. 8. A. Liebeskind. 
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Der Specht und die Taube. 
Der Specht und die Taube hatten den Pfau besucht. „Wie 
getel dir unser Wirt?“ fragte der Specht auf dem Heimwesge; 
Fült er nieht ein widerwärtiges Gelchöpf? vein Stolz, leine un—
	        
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