169. Der reichste Fürst — 170. Vaterlandsliebe.
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169. Der reichste Jürst.
1. Preisend mit viel schönen Reden ihrer Lünder Wert und Zahl
Saßen viele deutsche Fürsten einst zu Worms im Kaisersaal.
2. „Herrlich,“ sprach der Fürst von Sachsen, „ist mein Land und seine Macht;
Silber hegen seine Berge wohl in manchem tiefen Schacht.“
3. „Seht mein Land in üpp'ger Fülle,“ sprach der Kurfürst von dem Rhein,
„Goldne Saalten in den Tälern, auf den Bergen edeln Wein.“
4. „Große Städte, reiche Klöster,“ Ludwig, Herr zu Bayern, sprach,
„Schaffen, daß mein Land dem euern wohl nicht an Schãtzen naͤch.“
s5. Eberhard, der mit dem Barte, Württembergs geliebter Herr,
Sprach: „Mein Land hat kleine Städte, trägt nicht Berge silberschwer;
6. Doch ein Kleinod hält's verborgen: daß in Wäldern, noch so groß,
Ich mein Haupt kann kuͤhnlich legen jedem Üntertän in Schoß!“
7. Und es rief der Herr von Sachsen, der von Bayern, der vom Rhein:
„Graf im Bart! Ihr seid der Reichste, Euer Land nügt Edelstein!“
Just. Kerner.
170. Vaterlandsliebe.
Worte eines Vaters an seinen Sohn.
Warum liebst du dein Vaterland? Du Lebst es, weil deins
Muttor eine Deutsche ist; weil das Blut, das dureh deine Adern
fliebt, deutseh ist; weil die Erde deutseh ist, in der dig Toten
begraben sind, dis deina Mutter borint und dein Valer
ohrt; weil der Ort, in dem du geboren bist, ie Sprache, die du
SPrichst, weil dein Bruder, deine Schwester, das grobe Voll, in
dessen Mitte du lebst, die schöne Natur, die dich umgibt, und
alles, was du siehst, was du liebst, was du lernst, bewunderst,
deutseh ist. O, du kannst diess Liebe noech meht begreifenl
Du wirst sio voll omplnden, wenn du Mann ben wirst, venn
du, nach langer Ahwesenbeit von einer Ra zurũckkehrend,
Anes Morgens vom Verdeck eines Schiffes am Honont dis
Ufer deinoös Landes selen viret, du vut s flon in 4
sStürmischen Zärtlichkeit, welche dir die Augen mit Tränen funt
und dein Herz aufjauchzen läbßt. Du virst vie fuhlen in irgend
einer fremden Stadt, in dem Trieb deino Herzens, der dich in
der unbekannten Menge zu ene ue Mann, hinzieht,
yn dem du im Vorbeigehen ein Wort in deiner Spraehe g0.
hört haste Du wirst gio tublon in der vhner chon cud stolzen
Verachtung, die dir das Di ins du treibt, venn du dein
Land aus dem Munde enes enden beschimpfen hörst. Du
Wirst sie noch heftiger und stolzer len an Tage, an welehem
ein feindliches Volk dein Vaterland mit Krieg bedrobt und du
Nehst, wie die Waffen von allen Seilen toben, wie Jũnglinge in
deharon herbeieilen, wie die Vater s Söhne küssen und ihnen
zurufen: — »Mutl« — vwie die Muter den Jũnglingen Lebe-
vohl sagen, indem sie rufen — iegel Du io ilon
wie eino göttlicho Preude, venn du Sas Glũuci haben vern,