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Das Volk in Deutschland konnte sich, als die Nachricht vom
Tode Friedrichs dorthin gelangte, gar nicht an den Gedanken ge¬
wöhnen, daß er gestorben sei, und es verbreitete sich die Sage, die
sich bis in die neueste Zeit fortgepflanzt hat, der Kaiser sitze im
tiefsten Schlafe im Kyffhänser Berge in der goldenen Aue in
Thüringen, an einem steinernen Tisch, durch den sein Bart gewachsen
sei. Raben umkreisten den Gipfel des Berges; wenn ein Adler sie
verscheucht, werde Barbarossa in Waffenrüstung herauskommen und
die alte Herrlichkeit und den Glanz des Reiches wiederherstellen.
Was der fromme Glaube des Volkes dunkel geahnt und in einem
Bilde ausgedrückt hat, das ist in neuester Zeit in herrlicher Weise
erfüllt worden.*)
§. 12. Rudolph von Habsburg.
(1273—1291.)
Unter den Hohenstaufen zeichnete sich außer Friedrich Barba¬
rossa noch sein Enkel Friedrich II. (1215—1250) aus, dessen Re¬
gierungszeit jedoch für Deutschland weniger heilbringend war, da
sie mit widerwärtigen Kämpfen mit dem Papste und den Lombarden
ausgefüllt ist; auch er machte einen Kreuzzug. Das Geschlecht der
Hohenstaufen ging mit Friedrichs II. Enkel, Conradin von Schwaben,
unter, der einen vergeblichen Zug nach Italien machte, um seine
Erblande Neapel uud Sicilieu zu erobern, die Carl von Anjou,
ein französischer Prinz, vom Papste empfangen hatte. In einer
Schlacht besiegt und gefangen genommen, wurde er vor Gericht ge¬
stellt, verurtheilt und auf dem Markte zu Neapel 1268 hingerichtet.
In Deutschland war inzwischen eine traurige Zeit; das kaiserliche
Ansehen war so gesunken, daß kein deutscher Fürst die Krone anzu¬
nehmen Lust hatte und die Wahlfürsten dieselbe Ausländern, wie
einem spanischen und englischen Prinzen antrugen, die indeß nur
von einem Theile des Volkes anerkannt wurden und keine Wirksamkeit
im Reiche ausüben konnten. Man nennt diese ganze Zeit vom Tode
Wilhelms von Holland (1256) an bis zur Wahl eines allgemein aner-
kanntenOberhauptes(1273)dasJnterregnnm. Während desselben herrschte
*) Man hat ganz kürzlich nachzuweisen versucht, daß diese Sage sich ursprünglich an die
Person Friedrich II. (-j-isso) angeknüpft habe.