Full text: [Teil 6, [Schülerband]] (Teil 6, [Schülerband])

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Stückchen Brot. Zum zweiten Frühstüeck und zum Vesper gab's 
ebenfalls nur trockenes Brot mit Salzæ· Wer aber zu NMittag seine 
Portion nicht aufessen Konnte oder wollte, mussste im Garten mit 
seinem Teller so lange stehen, bis alles aufgegessen war. 
Das alles wäre dem Lleinen Otto noch erträglich gewesen. 
Aber man ging auceh ziemlich hart mit ihm um, und weil er ein 
adliger Sohn war, glaubten die Mitschüler ihn um so mehr ducken 
zu müssen. Das hat den artigen, offenen Knaben oft gekränkt 
und entrüstet, und er bekam grosses Heimweh. 
Dennoch hielt er sich tapfer und wusste sich sehr bald bei 
seinen Mitschülern in Respekt zu setzen. So hatte er sich 2z. B. 
gegen sie zur Wehr gesetzt, als sie ihn als „Neuen“ in herkömm- 
licher Weise einweihen wollten. Diesen Widerstand vergassen 
sie ihm nicht und dachten: „Wart nur! wenn die Badezeit anfängt, 
wollen wir dix's schon heimzahlen!“ Wer sich nämlich beim Baden 
vor dem Wasser fürehtete, der wurde von dem Lehrer einfach 
kopfüber hineingeworfen und von seinen Mitschülern so lange 
untergetaucht, bis er von der Wasserscheu geteilt war. Alle 
freuten sich schon auf den Augenblieck, wo Otto von Bismarek 
seine Taufe im Schafgraben erhalten sollte; dein das setzte man 
als gewiss voraus, dass soleh ein junges Bürschehen die Wasser- 
scheu habe. Alle standen schon bereit, um beim Untertauchen 
gründlich zu helfen. Siehe, da tritt Otto von Bismarck mit der 
grössten Kaltblũtigkeit an den Rand des Grabens, stürzt sich hinein, 
faueht unter und kKommt erst am jenseitigen Ufer wieder zum 
Vorschein. Vin allgemeines „Ahl“ folgte dieser Uberraschung. 
RKeiner aber wagte es jetzt, den kühnen Taucher nur zu berühren. 
Bald war Otto von Biswarck einer der Tüchtigsten 
und Vechten und der angesehene und allbelebte Aanführer beim 
Schneeballen, Kriegspielen u. 8. V. 
Aber aueh beim Lernen sahen alle mit Bewunderung zu ihm 
auf. Besonders in der Weltgeschichte wulste er wie keiner Be— 
scheid. Im Garten hinter dem Hause stand ein grosser Linden- 
baum, auf welchen die Knaben in den Freistunden hinaufklettern 
durftêen. Wenn es etwas Michtiges mitzuteilen oder zu beraten 
gab, hiess es: „Nach der Lände!“ Den Ehrenplatz auf dem Baume 
Nahm Otto von Bismarek ein; um ihn hber oder unter ihm die 
andern. Da sass er denn oft zwischen den schattigen Asten auf 
seinem luftigen Dhrone und las ihnen aus der Weltgeschichte vor, 
am liebsten von den griechischen Helden Ajax und Achilles und 
Odysseus im trojanischen Kriege aus Beckers „Erzählungen aus 
der alten Welt“. Das Bueh wusste er heinahe ganz auswendig. Er 
selber hiess bei seinen Kameraden, Ajax“. 
In seinem zwölften Lebensjahre Kam Otto aufs Gymnasium 
In allen Lehrgegenständen ging es frisch vorwärts. Bei seinem
	        
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