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des fernen Himmelsgewölbes verschwimmt! Dieselbe leicht bewegliche
Oberfläche, im Spiel der Winde steigend und fallend! Dieselbe grossartige
Einförmigkeit, welehe die Seele des Reisenden mit Ahnungen der Un-
endlichkeit erfüllt! Dieselben Täuschungen der Laftspiegelung! Denn
so wie der lechzende Matrose plötzlich aus der Wasserwüste trügerische
Palmenhaine aufsteigen sieht, so verwandelt sich auch vor der schmachten-
den Karawane die dürre Sandfläche in das Wahngebilde eines lachenden
Sees. Hier locken Inseln — Oasen des Meeres —, dort Oasen — Inseln
der Wüste. Hier giebt es Sand-, dort Wasserwellen. Hier siehst du
das Schiff, das Dromedar des Oceans, dort das Kamel, das Schiff der
Wüste. Eine vollkommen passende Benennung! Denn so wie der die
Fluten durchfurchende Kiel alle Küsten des Weltmeeres untereinander
verbindet, so wären ohne das einhböckerige Kamel oder das Dromedar
aueh die weit entfernten Ufer des grossen Sandmeeres voneinander
getrennt, und die Wüste würde dem Menschen ewig verschlossen ge—
blieben sein.
Die Exissstenz der ganzen Nomadenwelt des Orients, der Völker-
verkehr des grössten Teils von Nordafrika und Südwestasien beruht fast
einzig und allein auf dem Kamel. Dasselbe ist für den Beduinen neben
der königlichen Dattelpalme das Kostbarste Geschenk Allabs.
Andere Tiere sind für den Wald, für das Wasser oder die Grasflur
gebildet; — aber Führer, Träger, Gefährte, Haustier des Menschen in
der Müste, gewissermassen seine dortige Ergänzung zu sein, indem es
allein alle seine Bedürfnisse zu erfüllen vermag, das ist die eigentümliche
Bestimmung des Kamels. Wunderbar ist sein ganzer Körper für die—
selbe geformt und gebildet; es ist ausgerüstet für Entbehrungen und
Frondienste, unter welchen alle übrigen Tierformen erliegen würden.
Vergebens hat man versucht, es nach Spanien zu verpflanzgen und
es in Amerika einzubürgern, stets verkümmerte es dort und fiel dem
Menschen nur zur Last, während es in der Wüstennähe gedeiht und in
Arabien, seinem regenlosen ausgedorrten Urvaterlande, den Hauptreich-
tum seines Herrn ausmacht.
Betrachtet man die Vüsse des Kamels, so sieht man schon, dass sie
für das Gehen auf dem Sande gebildet sind, indem sie nicht nur wie
beim Pferde, beim Ochsen und Hirsche mit dem Ende des Hufes, sondern
mit der ganzen Länge ihrer zwei Zehen auftreten, die mit einer schwie—
Lehten Sohle versehen sind.
So schreitet das Kamel sicher und leicht über die unsichere nach-
gebende Fläche dahin, während es auf durchnässtem Lehmboden aus-
glitscht. Länger als irgend ein anderes bekanntes Säugetier kann es
Hunger und Durst ertragen und ist mit dem schlechtesten Putter zu-
frieden. Genügsam wie der Beduine, findet es durch die zermalmende
Kraft seiner Zäühne fast überall noch hinreichende Nahrung. Auch auf
nackt erscheinender Pläche bietet siech hm dieselbe noch im härtesten
Wüstengestrũüpp, in Salzpflanzen und Disteln, in dornigen Mimosen und
Akazien, sogar im steinigen Dattelkerne dar, den sein Herr ihm reicht,
nachdem er selbst die süssliche Hülle genossen hat.