Full text: Mit 42 Abbildungen (Teil 2 = (4. und 5. Schuljahr))

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trübes Gelb in Grau ist die gewöhnliche Farbe der Gewässer um ihn her, 
und vor dem Aufenthalt in einer Meeresstrecke, die bei der Ebbe stundenweit 
ihren Schlammboden aufdeckt, hüten sich die Fische und überlassen gern dem 
Seehund und der häßlichen Roche das wenig einladende Gebiet. Und dies 
Meer, das die Halligen umgibt und so oft überwogt, dies an Gaben so arme 
Meer ist noch dazu fortwährend ein Räuber, der bald mit langsamer, still unter— 
grabender Macht, bald mit wildstürmender Gewalt ein Stück Land nach dem 
andern von dem Eiland abbricht, so daß der Halligbewohner schon die Jahre zählen 
kann, wann den Hütten und den Herden der letzte Raum genommen sein wird. 
7. Doch glücklich die Hallig, wenn hiermit ihr Bild vollständig gezeichnet 
wäre! Aber es bleibt noch eine furchtbare Seite übrig. Zur Gewohnheit 
sind die Überschwemmungen geworden, die, alles flache Land überwogend, an 
den Wersten hinaufsteigen und an die Mauern und Fenster der Hütten mit 
ihrem weißen Schaume anschlagen. Da blicken denn diese Wohnungen aus 
der weiten, wogenden Wasserflüche nur noch als Strohdächer hervor. Man 
glaubt nicht, daß sie menschliche Wesen bergen, daß Greise, Männer, Frauen 
und Kinder unterdessen vielleicht ruhig um ihren Teetisch sitzen und kaum einen 
flüchtigen Blick auf den umdrängenden Ozean werfen. 
Aber zuweilen bricht der Sturm zugleich mit der Flut auf das bange 
Eiland ein. Die Wasser steigen bis zu sechs Meter über ihren gewöhnlichen 
Stand hinauf. Die Wogen dehnen sich zu Berg und Tal, und das Meer sendet 
in immer neuen, langen Zügen seine volle Gewalt gegen die einzelnen Werften, 
um sie aus seiner Bahn wegzuschieben. Der Erdhügel, der eine Zeitlang 
zitternd widerstand, gibt nach. Bei den unausgesetzten Angriffen bricht ein 
Stück nach dem andern ab und schießt hinunter. Die Pfosten des Hauses, 
welche die Vorsicht ebenso tief in die Werste hineinsenkte, als sie darüber hervor— 
stehen, werden dadurch entblößt; das Meer faßt sie, rüttelt sie. Der erschreckte 
Bewohner des Hauses rettet zuerst seine besten Schafe hinauf auf den Boden; 
dann flieht er selbst nach, und hohe Zeit war es! Denn schon stürzen die 
Mauern, und nur noch einzelne Ständer halten den schwankenden Dachboden, 
die letzte Zuflucht. 
Mit furchtbarem Siegesübermut schalten nun die Wogen in dem unteren 
Teile des Hauses. Sie werfen Schränke, Kisten, Betten, Wiegen in wildem 
Spiele durcheinander und schlagen sich immer freieren Durchgang, um alles 
hinauszureißen auf den weiteren Tummelplatz ihrer unbändigen Kraft. Der 
Stützpunkte des Daches werden immer weniger, des Daches, dessen Nieder— 
sturz rettungslos einer noch vor wenigen Stunden in häuslicher Geschäftigkeit 
wirkenden oder im sanften Arme des Schlummers ruhenden Familie ein 
schäumendes Grab bereitet. Ängstlich lauscht das Ohr, ob nicht das Brausen 
des Sturmes abnimmt; ängstlich pocht das Herz bei jeder Erschütterung; immer
	        
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