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künstlerischer Genuß, in dieser fröhlichen und hellen Welt auf⸗
zuatmen!
7. Währenddem waren mehrere Mädchen herangekommen, die
allgemeine Bewunderung erregten. Einige dieser Jungfrauen trugen
nämlich mit Feierlichkeit und Vorsicht große Kränze, andere hielten
bedeutungsvolle Pakete in den Händen. Man drängte sich heran
und bewunderte mit kindlichem Staunen die mitgebrachten Gegen—
stände. Die Kränze waren aus Eichenlaub geflochten und mit Ähren
und Feldblumen durchwirkt. In den Päckchen, welche den Blicken
der Reugierigen vorsichtig geöffnet wurden, befanden sich seidene
und wollene Tücher, welche als Preise für die Sieger im Hahn-
schlagen bestimmt waren.
8. Nun endlich erschien die kleine Musikkapelle, eigenartige Ge—
stalten und ewig durstige Gesellen, die — sofort ins Wirtshaus
steuerten, um sich für das saure Stück Arbeit zu stärken. Inzwischen
hatten sich die Burschen in den Tanzsaal zurückgezogen und sangen
dort bald deutsche, bald wendische Volkslieder. Wie alt mögen diese
Cieder sein! Gewiß sind sie, wenn auch in anderer Form, schon von
den Ureinwohnern dieser weiten, sumpfigen Wälder gesungen worden.
Doch wie lange werden sie noch erklingen ? — Längst hat die deutsche
Sprache siegreich ihren Einzug gehalten, und der Tag wird kommen,
an dem das letzte Wendenlied, von einem zähen alten Sonderling
gesungen, unverstanden verhallen wird.
9. Endlich — o du bedächtiges Dorfleben! — waren die Musi-
kanten bei Kräften. Man ordnete sich zum Abmarsche. Die Spitze
des Zuges bildeten zwei Burschen; der eine trug auf einer Harke eine
große, aus künstlichen Blumen, Perlen und Flitter hergestellte Ernte—
krone, der andere hielt einen lebenden Hahn im Arm. Ihnen folgten
Männer und Burschen, von denen einige Dreschflegel trugen. Einer
der jungen Leute war mit einem großen Topfe, ein anderer mit
einem Brett beschwert. Nach den Burschen schlossen sich die Mädchen
zu zweien dem Zuge an, der sich unter Vorantritt der ländlichen
Musikkapelle in Bewegung setzte. Eine bunte Schar von Männern,
Frauen und Kindern umwogte die Abmarschierenden, welche vom
Cachen der Kinder, vom Gebell der Hunde, vom Geschrei der beim
Grasen gestörten Gänse in ihrer musikalischen Begleitung mächtig
unterstützt wurden. Ein heiteres Dorfbild! Der Fug bewegte sich
die Straße entlang einem an der Spree belegenen Hüteplatze zu.
Dort nahm die Kapelle und der männliche Teil der Jugend neben
der aufgepflanzten Erntekrone Aufstellung, während die Mädchen
in zwei Reihen Spalier bildeten. In einer Entfernung von etwa