Full text: Mit 42 Abbildungen (Teil 1 = (2. und 3. Schuljahr), [Schülerband])

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Als man dem Herzoge erzählte, wie der Greif erlegt worden war, 
stand er keine Minute an, sein Wort zu erfüllen. Er hieß Gottsche 
Schaf niederknien, schlug ihn zum Ritter und verlobte ihn auf der 
Stelle mit seiner Tochter, obwohl seine Edelleute murrten, daß er einem 
armen Schäfer seine Prinzessin vermählen wolle. 
Als Mitgift gab er ihm die Neuburg; zum Andenken an seine Tat 
wurde sie Greiffenstein genannt. Dann befahl er ihm, beim Aufgange 
der Sonne am nächsten Morgen seine Schafherde aus dem Schloßtore 
zu treiben, und sagte zu ihm: „Alles Land, das du bis zum Untergange 
der Sonne mit ihr umziehen wirst, soll dein Eigentum sein.“ 
Da säumte der junge Ritter nicht, und am nächsten Abende war 
er einer der reichsten Herren des Landes Schlesien. 
5. Doch wollte sich Gottsche Schaf einer solchen Erhöhung erst 
würdig machen. Deshalb bat er seinen künftigen Schwiegervater, ihm 
Unterricht in allen adligen Künsten und Wissenschaften geben zu lassen. 
Dann zog er hinaus ins Reich zum Heere des Kaisers. Dort 
zeichnete er sich durch Mut so aus, daß der Kaiser ihn zu seinem Waffen— 
träger annahm. In einer großen Schlacht trug Gottsche Schaf das 
meiste zum Siege bei. Da schlug ihn der Kaiser zum Ritter, erhob 
ihn in den Grafenstand und gab ihm den Namen Schaffgotsch. 
6. Nachdem nun der tapfere Gottsche bereits zwei Jahre abwesend 
gewesen war, hielt der Herzog Bolko ein großes Kampfspiel auf der 
Feste Lähnhaus ab, und viele Ritter strömten dahin zusammen, um 
sich einen Preis ihrer Tapferkeit und Geschicklichkeit zu erkämpfen. 
Schon war das Fest dem Ende nahe, da ritt noch ein fremder, 
schwarz geharnischter Rittersmann ein, der drei Greifenköpfe im Wappen 
führte. Der schönen Agnes pochte das Herz gar ängstlich; denn sie 
ahnte, wer es sei. In kurzer Frist aber streckte der fremde Ritter 
einen seiner Gegner nach dem andern in den Sand, und darum führten 
ihn die Kampfrichter zu dem Sitze der Prinzessin, um aus ihrer Hand 
den Dank zu erhalten. 
Hier mußte er das Visier öffnen, und die schöne Agnes erkannte 
in dem wettergebräunten Tapfern ihren sehnlichst erwarteten Verlobten. 
Nun ließ die Vermählung nicht mehr lange auf sich warten. Graf 
Schaffgotsch ward der Stammvater des noch blühenden Geschlechts. 
Die Burg Greiffenstein, obwohl längst in Trümmer gesunken, behielt 
ihren Namen bis auf den heutigen Tag und übertrug ihn auch auf das 
an ihrem Fuße erbaute Städtchen Greiffenberg. 
Uach J. G. Th. Grüsses Sagenbuch d. Prenuß. Staates.
	        
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