Full text: [Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband])

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herumirrt; wenn es wieder zu seinesgleichen kommt, so hat es keinen 
Kummer mehr. Der Tagelöhner fragt das Kind, wo es herkomme. — 
„Oben herab vors Gutenberg.“ — „Mie beisst dein Vater?“ — „leh habe 
einen Vater.“ — „Wie bheilst deine Mutter?“ — „Ieh habe keine Mutter.“ 
— „Vem gehörst du denn sonst an?“ — „leh gehöre niemand sonst an“ 
— Aus allem, was es sagte, var nur soviel herauszubringen, dass das Rind 
von den Bettelleuten sei aufgelesen worden, dass es mehrere Jahre mit Bett- 
lern und Gaunern herumgezogen sei, dass sie es zuletzt in S8t. Peter haben 
sitzen lassen, und dass es allein über St. Margen gekömmen sei und jetzt 
10 da sei. Als der Tagelöhner mit den Seinigen zu Nacht als, setzte sich 
das fremde Kind auch an den Tisch. Als es Zeit war, zu schlafen, legte 
es sich auf die Ofenbank und schlief auch. So den andern Tag, so den 
dritten. Denn der Mann dachte: „Ieh kann das arme Kind nicht wieder 
in sein Elend hinausjagen, so sehwer es mir ankommt, eins mehr zu füttern.“ 
ib Aber am dritten Tage sagte er zu seiner Frau: „Frau, ich vill's doch aueh 
dem Herrn Pfarrer anzeigen.“ Der Pfarrherr lobte die gute Denkungsart 
des armen Mannes. „Aber das Mägdlein,“ sagte er, „soll nicht das Brot 
mit Euren RKindern teilen; sonst werden die Stücklein zu klein. Ieb will 
ihm einen Vater und eine Mutter suchen.“ 
Also ging der Pfarrherr zu einem woblhabenden und gutdenkenden 
Manne in seinem Rirchspiel, der selber venig Kinder hatte, und sagte zu 
ihm: „Peter, wollt Ihr ein Geschenk annebhmen?“ „Nach dem's ist,“ sagte 
der Mann. — „Es kommt von unserm Leben Herrgott.“ — „Wenn's von 
dem kommt, so ist's kein Fehler.“ — Also bot ihm der Pfarrberr das ver- 
lassone Magdlein an und erzählte ihm die Geschichte dazu so und so. Der 
Mann sagte: „Ieh will mit meiner Frau reden; es wird niebt fehlen.“ Der 
Mann und die Frau nahmen das Kind mit Freuden auf. „Wenn's gut thut,“ 
sagte der Mann, so will ich's erzieben, bis es sein Stücklein Brot selber 
verdienen kann. Wenn's nieht gut thut, so will ich's wvenigstens behalten 
30 bis zum Frühjahr. Denn dem Winter darf man keine Rinder anvertrauen.“ 
Jetzt hat er's schon viermal uüberwintert und viermal übersommert auch. 
Denn das RKind that gut, war folgsam und dankbar und fleissig in der Schule, 
und Speise und Trank war nicht der grösste Gotteslohn, den das fromme 
Ehepaar an ihm ausubte, sondern die chrisstliche Zucht, die vaterliehe 
Erziehung und die mütterliche Pflege. Wer das fremde Töchterlein unter 
den andern in der Schule sah, sollte es nicht erkennen, so gut sah es aus, 
und so sauber war es gebleidet. 
So etwas thut einem Menschenfreunde wohl; und ieh könnte den 
braven Tagelöbhner und die braven Pflegeeltern des Kindes mit Namen 
40 nennen, wer sie waren, und wie sie hielssen. Aber über meinen Mund 
kommt's nmicht. 
261. Der Pilger. 
Gchmid.) 
In einem schönen Schlosse, von dem schon längst kein Stein mehr auf 
15 dem andern ist, lebte einst ein sehr reicher Ritter. Er verwandte sehr viel 
Geld darauf, sein Schloß recht prächtig auszuzieren; den Armen aber that 
er wenig Gutes. Da kam nun einmal ein armer Pilger in das Schloß und
	        
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