Full text: [Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband])

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gelben, bunten oder einfach grauen Häuschen. Wie kommt es, daß die er— 
steren kein Häuschen haben, in das sie sich zurückziehen können, wenn sie 
beunruhigt werden, wie es die übrigen thun? Haben sie es vielleicht ver— 
loren? Nein, sie haben niemals ein Haus gehabt und können sich nie ein 
solches bauen. Woher aber haben denn die andern Schnecken ihr niedliches 
Häuschen? Laß dir's erzählen! Die alte Schnecke hat viele kleine Eier an den 
feuchten Moosrasen gelegt. Die Sonne brütete die Eier aus, und aus jedem 
derselben kroch eine winzig kleine Schnecke mit einem eben so kleinen Häus— 
chen. Aber die Schnecke wuchs weiter, und das Haus ward ihr zu klein. 
10 Da streckte sie ihre vier Augen bedächtig aus; sie stehen auf Stielen, zwei auf 
langen und zwei auf kurzen. So schauet sie nach Nahrung und kriecht zum saftigem 
Rasen, zum bunten Blümchen. In ihrem Munde besitzt sie zwei kleine Zähne 
mit Einschnitten, damit beißt sie die kleinen Blätter ab und verzehrt sie. In 
ihrem Körper verwandeln sie sich in einen glänzenden Schleim. Eben aus 
16 diesem Schleime baut sie ihr Häuslein, ganz allmählich einen Ring nach dem 
andern, bis eine neue Windung fertig ist. Die neuen Windungen werden 
größer und größer, so wie sie selber wächst. Im Frühjahre, wenn sie weiter 
bauen will, nagt sie den letzten, äußersten Rand vom Häuschen ab und fügt 
dann die neue Schicht daran. Das verzehrte Gras wird zu Schleim, der 
20 Schleim zum Schneckenhaus. Aus Gras und Blumen baut die Künstlerin 
sich ihre Wohnung. Niemand sieht es dieser an, woher sie stammt. 
Das Haus vertritt bei der Schnecke die Stelle der Knochen; außer 
ihm ist nichts Festes an ihrem Körper; sie ist an dasselbe angewachsen und 
kann es nicht verlassen. Stets muß sie ihre Wohnung mit sich nehmen, kann 
25 aber auch dafür zu jeder Zeit sich darin vor Gefahr schützen. Wenn die 
Blumen verblüht sind, und die Blätter verwelken, wird's auch der Schnecke 
zu kalt, und sie fertigt aus demselben Schleime nun auch eine Thür vor ihr 
Haus. Nachdem sie alles sorgsam verschlossen hat, schläft sie ein und träumt 
den ganzen Winter hindurch. Mitunter kommen dann wohl Vögel, zerbrechen 
das Haus und verzehren die Bewohnerin. Ist die Schnecke alt geworden, so 
schließt sie ihre Thür noch einmal, öffnet sie aber nicht wieder. Das Häuschen 
ist jetzt ihr Sarg. Hier verwest sie. Aus dem Gehäuse fließt zuletzt ein 
dunkles Wasser auf die Erde. Die Wurzeln der Blumen trinken es, oder es 
verdunstet und steigt hinauf in die Wolken und fällt im Regen wieder herab 
3b auf den durstigen Rasen. So wird die Schnecke wieder zur Blume. Das 
leere Schneckenhaus aber dient kleinen Käfern zur Wohnung oder Kindern 
zum Spielzeug. Endlich zerbricht und zerkrümelt es auch und wird wieder 
zur Erde, davon es genommen war. 
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92. Der Wettstreit. 
Goffmann von Fallersleben.) 
„Ich aber kann es besser!“ 
fiel gleich der Esel ein. 
Das klang so schön und lieblich, 
so schön von fern und nah; 
sie sangen alle beide: 
„Kuku, kuku, ial!“ 
Der Kuckuck und der Esel, 
die hatten großen Streit, 
wer wohl am besten sänge 
zur schönen Maienzeit. 
Der Kuckuck sprach: „Das kann ich!“ 
und hub gleich an zu schrei'n. 
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