Full text: [Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband])

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alle Flüsse auf der Erde verstopfen, damit kein Tröpflein mehr daraus ins Meer 
laufe, das ich nicht erst gezählt habe; so will ich euch sagen, wie viel Tropfen 
im Meer sind.“ Sprach der König: „Die andere Frage lautet: Wie viel 
Sterne stehen am Himmel?“ Das Hirtenbübchen sagte: „Gebt mir einen großen 
Bogen Papier,“ und dann machte es mit der Feder so viel feine Punkle dar— 
auf, daß sie kaum zu sehen und fast gar nicht zu zählen waren und einem die 
Augen vergingen, wenn man darauf blickte. Darauf sprach es: „So viel Sterne 
stehen am Himmel, als hier Punkte auf dem Papier; zählt sie nur.“ Aber 
niemand war dazu im stande. Sprach der König: „Die dritte Frage lautet: 
„Wie viel Sekunden hat die Ewigkeit?“ Da sagte das Hirtenbüblein: „In 10 
Hinterpommern liegt der Demantberg, der hat eine Stunde in die Höhe, eine 
Stunde in die Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert 
Jahre ein Vögelein und wetzt sein Schnäbelein daran, und wenn der ganze 
Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Sekunde von der Ewigkeit vorbei.“ 
Sprach der König: „Du hast die drei Fragen aufgelöͤst wie ein Weiser 15 
und sollst fortan bei mir in meinem königlichen Schlosse wohnen, und ich will 
dich ansehen wie mein eigenes Kind.“ 
111. Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater. 
Caspari.) 
Luther verhörte einmal die Leute in einem Dorf im Beten und be—⸗ 20 
fragte sie im Katechismus fein säuberlich und mit Geduld. Da nun ein 
armes sächsisches Bäuerlein den Kinderglauben soll aufsagen und spricht: 
„Ich glaube an Gott den Allmächtigen,“ fraget Luther, was Allmächtiger 
heiße. Der gute Mann antwortete: „Ich weiß nicht.“ — „Ja, mein 
Mann“ spricht der Doktor, „ich und alle Gelehrten wissen's auch nicht, 25 
was Gottes Kraft und Allmächtigkeit ist; glaub aber du nur in Einfalt, 
daß Gott dein lieber treuer Vater ist, der will, kann und weiß, als der 
klügste Herr, dir, deinem Weib und Kindern in allen Nöten zu helfen, 
und du verstehest genug davon.“ 
112. Das spielende Kind. 
Ecriver.) 
Ein kleines Kind lief in der Stube umher und machte sich mit Spielen 
viel kindliche Lust. Scherben waren sein Geld, Klötze sein Haus, ein Stecken 
sein Pferd, ein Apfel sein Gericht, eine Puppe sein Sohn. Der Vater saß 
dabei am Tisch und hatte wichtige Sachen, die er aufschrieb und in Richtigkeit 
brachte, damit sie dereinst diesem Spielvogel nützen möchten. Das Kind lief 
oft zum Vater und that viel kindische Fragen und begehrte allerlei zu seinem 
Spiel. Der Vater beantwortete das wenigste, fuhr indessen mit seiner Arbeit 
fort und hatte doch immer ein wachsames Äuge auf das Kind, danit es nicht 
fallen oder sonst Schaden nehmen möchte. Dies sah ein frommer Mann und 10 
sprach: „Das ist eine schöne Abbildung der väterlichen Fürsorge Gottes. Wir 
alten Kinder laufen in der Welt umher und spielen oft thörichter als die Kin⸗ 
der. Wir sammeln und zerstreuen, wir bauen und brechen, wir pflanzen und 
reißen aus. wir reiten und fahren. wir essen und trinken, wir singen und 
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