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spielen und meinen, wir thun große Dinge, die Gott ganz besonders beachten
müsse. Unterdes sitzt der allwissende Gott und schreibt unsre Tage auf sein
Buch; er ordnet und schaffet, was wir vor oder hernach thun; er richtet alles
zu unserm Besten und unsrer Seligkeit und hat dabei steis ein wachsames Auge
b auf uns und unser Kinderspiel, damit wir keinen verderblichen Schaden nehmen.“
113. Das vierblättrige Kleeblatt.
(Gaspari.)
Im Jahre 1833 vwollte ein junger Mensch nach Amerika auswandern.
Er hatte einem Schiffskapitàn, der im Hafen lag, das Fahrgeld bereits be—
10 zahlt und wartete sehnlich auf dis Stunde der Abfahrt. Endlich lässt ihm
der Kapitän sagen: „Der Wind ist günstig, und heut Abend um 5 Ubr
geht's in die hohe Seel“ Als es 4 Uhr geschlagen, geht unser Auswanderer
bereits auf den Hafen zu, denn er denkt: „Besser eine Stunde zu früh,
als eine Viertelstunde zu spat, der Kapitan verstebt Leinen Spass.“ Wie er
gerade dureh die Allee geht, die zum Hafen führt, und schon das Schiff
vor Augen hat, auf dem die Segel gerichtet sind und die Wimpeoel lustig
im Minde flattern, siebt er neben seinem Weg in der Anlage ein vier-
blattriges Kleeblatt stehen. „dieh dal“ spricht er, „das bedeutet Gluck, das
muss ich mir mitnehmen,“ macht einen Schritt aus dem Weg, buckt sieh
20 und bricht das vierblättrige Kleeblatt ab. Als er vieder auf den Weg
zurüekgekehrt, kommt mit grossen Schritten der Soldat auf ihn zu, der
nebenan vor dem Schilderhäuschen, Gewehr im Arm, auf- und abgeschlen⸗
dert war, und sagt: „Guter Freund, Ihr mülst mit auf die Wachel
„Auf die Wache? Warum denn?, — „Nun,“ sagt der Soldat, „Ihr könnt
26 doch Gesehriebenes lesen, schaut nur hin, vas dort auf der Tafol steht
Funf Thaler Strafe, wer in der Anlage etwas abreisst:“ — „Mas geht mich
die Tafel an, ieh muss auf das Schiffl“ — „Was geht mieh das Schift an,“
orwiderte der Soldat, „Ihr musst mit auf dio Wache. In einer Stunde kommt
die Ablösung, dann führt man Euch auf das Stadthaus und dort bezablt
80 Ihr Eure funt Thaler!“ — „Läeber Freund, in einer halben Stunde gehbt das
Schiff fort, auf dem ieh bezahlt habe, baltet mich nicht auf, ich muls
fort!‘ — „Geht mieh niehts an,“ sagts der Soldat und falstes bon m
Kragen. „Nehmt Vernunft an, üeber Freund, das kann unmöglich die
Meinung des Gesetzes sein, dass man wegen eines vierblättrigon Kleeblatts
35 ein Schiff nach Amerika versaumen und vein Fabrgeld verliören solll“ —
„Geht mieh niehts an!“ sagte der Soldat, „hier heilst's: Ordre pariert!“ —
Der junge Amerikaner gab gute und böse MWorte, versprach und drohte,
scehimpfte und veinte. — „Geht mieh niehts ante antworteto der unen
bittliche Soldat, und fort musste er auf dio Wache. Bis er dort die A-
40 lõösung erwartet und auf dem Stadthause seine funf Thaler bezahblt batte und
schweisstriefend wieder zurüek an den Hafen kam, war das Schiff auf und
davon, und er fing an, sein Missgeschick, den Soldaten, das leeblatt, den
Magistrat und die ganze Stadt zu verwunschen. Da nicht sogleieh ein an-
deres Schisf abging, musste er noch einige Zeit sich in der Siadt aufhalten,
46 da fallt ihm eines Tages im Gasthaus die Zeitung mit den Schiffsberichten
aus Cuxhafen in die Haànde. Sie berichtet von einem grossen Sturm. viele