2
23
Nach einer Stunde trat der herzogliche Diener in das Stübchen und sehte
einen schweren Korb nieder. „Das schickt Euch die gnädige Prinzessin
Auguste Viktoria für Euern Glasschrank,“ sagte er. Der Korb war mit
schönen Tellern, Tassen und Gläsern angefüllt. Das alte Mütterchen
faltete bewundernd die Hände und konnte nicht Worte genug finden, die
schönen Sachen und das gute Herz der Prinzessin zu rühmen.
208. Aus dem Leben der deutschen Raiserin.
A. Ernst. Aus: Deutsches Lesebueh für Mädehensehulen. I. Band. Leipzig und Berlin 1891
S. 338.
Es war im Jahre 1888. Weihnachten, das Fest der Wonne
und des RKinderjubels, war vieder gekommen. Überall, in Hütten
und Palasten, glänzte der Weihnachtsbaum und verkündigte mit
seinen strahlenden Kerzen die alte Botschaft: „Freuet Euch, denn
Euch ist heute der Heiland geboren!“
Auch in dem Elisabeth-Kinderbospital in Berlin war der
Weihnachtsbaum eingekehrt. In dem groben saale der Anstalt
Varen lange Lische aufgestellt, auf denen mehrere Weihnachts-
bäume brannten. In langen Reihen varen die Geschenke für die
armen, äkranken Kinder aufgebaut. Diesenigen Kinder, die schon
in der Genesung waren, sfanden oder saben um den gedeckten
Tisch herum, die andern lagen in ihren Betten. Die sonst s0
bleichen Wangen der Kleinen waren vor Freude gerõötet, die Augen
strahlten fast noch heller als die Weihnachtsserzen, vergessen
waren Krankheit und Schmerzen. Als die feierlichen Klange des
Weihnachtsliedes „Lobt Gott, ihr Christen, allzugleich“ verrauscht
waren, durften die glückseligen Kinder ihre Geschenke in Empfang
nehmen.
Wer aber unter all den vornebmen Frauen und Mannern,
die in grober Anzahl im Saale varen, var der gute Engel, dem
die armen, heute so glückseligen Kleinen ihre Weihnachtsfreude
verdankten? Die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria war es, jene
EFrau, die sich dort mitten unter den Kindern befand, jene Frau,
deren Auge eben so freudig glanzts, wie das der Rinder. sveit
Jahren schon gtand ein Hospital für Kinder unter ihrem besonderen
Schutze, und seit Jahren empfingen die armen Rinder ibre Be—
scherung aus der gütigen Hand der edlen RKaiserin.
Dort stebt ein kleines Bübchen, das unter seinen Geschenken
aueh ein Bilderbueh entdeckt hat. Er schlägt es auf, eilt auf die
Kaiserin zu, zupft sie am RKleide und sagt: ‚Sieh mal. Frau Raiserin.