L. Schlaraffenland.
Hört zu, ich will euch von einem guten Lande sagen, dahin würde
mancher auswandern, wenn er wüßte, wo es läge. Aber der Weg dahin
ist weit für die Jungen und für die Alten, denen es im Winter zu heiß
und im Sommer zu kalt ist. Diese schöne Gegend heißt Schlaraffenland.
Da sind die Häuser mit Eierfladen gedeckt, die Türen und Fensterscheiben
sind von Pfefferkuchen und die Wände aus Speckseiten und Schweinebraten.
Um jedes Haus ist ein Zaun von Bratwürsten geflochten, die sind teils
auf dem Rost gebraten, teils frisch gesotten, je nachdem sie einer so oder
so gern ißt. Alle Brunnen sind voll süßer Weine, die rinnen einem nur
so in das Maul hinein, wenn man es an die Röhren hält. Wer also
gern solche Weine trinkt, der eile, daß er in das Schlaraffenland hinein
komme. Auf den Birken und Weiden wachsen frischgebackene Semmeln,
und unter den Bäumen fließen Milchbäche, in diese fallen die Semmeln
und brocken sich von selbst ein für die, welche gern Semmelmilch essen.
Das ist etwas für Weiber und Kinder, für Knechte und Mägde! Holla,
Gretel, holla, Steffel! Wollt ihr nicht auswandern? Macht euch herbei
zum Semmelbach und vergeßt nicht, einen großen Milchlöffel mitzubringen!
Die Fische schwimmen im Schlaraffenlande oben auf dem Wasser, sind
auch schon sa gesotten und schwimmen ganz nahe am Gestade,
daß jedermann sie mit den Händen ergreifen und fangen kann. Wenn
aber einer gar zu faul ist und ein echter Schlaraff, der darf nur rufen:
Bst, bstn⸗ so kommen die Fische auch heraus aufs Land spaziert und
hüpfen dem guten Schlaraffen in die Hand, daß er sich nicht zu bücken
braucht. Wer aber selbst dazu zu faul ist, auch nur die Hand auszustrecken,
der darf sich nur auf den Rücken legen und den Mund aufsperren, so
fliegen ihm gebratene Hühner, Gänse, Tauben, Rebhühner und Wachteln
hinein. Die Spanferkel laufen gebraten umher, und jedes trägt ein
Messer im Rücken, damit, wer da will, sich ein frisches saftiges Stück
abschneiden kann.
Die Käse wachsen im Schlaraffenlande wie die Steine, groß und klein,
und die Steine sind lauter Fleischpastetchen, gefüllte Mohrenköpfe und was
dergleichen Leckereien für Feinschmecker mehr sind. Wonn es regnet, so
regnet es lauter Honig in süßen Tropfen, da kann einer lecden und
schlecken, daß es eine Lust ist; und wenn es schneit, so schneit es klaren
Lesebuch für Mittelllassen.