Full text: Lesebuch für die Mittelklassen katholischer Volksschulen

— 192 — 
188. Das Bienchen im Frühling. 
Wilhelm Curtman. 
Es war Frühling geworden. Die Sonne hatte den Schnee von 
den Feldern weggeschienen. Die grünen Grasspitzen kamen zwischen 
den welken Halmen hervor. Die Knospen der Bäume brachen auf 
und ließen schon die jungen Blättchen durchscheinen. Da wachte 
das Bienchen aus seinem tiefen Schlafe auf, worin es den ganzen 
Winter gelegen hatte. Es rieb sich die Augen und weckte seine 
Kameraden, und sie öffneten die Tür und sahen, ob das Eis und 
der Schnee und der Nordwind fortgegangen wären. Und siehe, es 
war überall heller und warmer Sonnenschein! 
Da schlüpften sie heraus aus dem Bienenkorbe, putzten 
ihre Flügel ab und versuchten wieder zu fliegen. Sie kamen zum 
Apfelbaume und fragten: „Hast du nichts für die hungrigen 
Bienchen? Wir haben den ganzen Winter nichts gegessen.“ Der 
Apfelbaum sagte: „Nein, ihr kommt zu früh zu mir; meine Blüten 
stecken noch in der Knospe, und sonst habe ich nichts. Geht hin zu 
der Kirsche!“ 
Da flogen sie zum Kirschbaum und sagten: „Lieber Kirsch— 
baum, hast du keine Blüten für uns hungrige Bienchen?“ Der 
Kirschbaum antwortete: „Kommt morgen wieder; heute sind meine 
Blüten noch alle zugeschlossen. Wenn sie offen sind, sollt ihr will— 
kommen sein.“ 
Da wollten sie schon wieder traurig und hungrig nach Hause 
zurückkehren, als sie ein dunkelblaues Blümchen an der Hecke 
ftehen sahen. Es war das Veilchen. Das wartete ganz bescheiden, 
bis die Bienchen kamen. Dann aber öffnete es ihnen seinen Kelch; 
der war voll Wohlgeruch und voll Süßigkeit, und die Bienen sät— 
tigten sich und brachten noch Honig mit nach Hause. 
189. Der kleine Soldat. 
Es ist ein Kleiner Soldat, der ein giftig Spießlein hat. 
Taglich zieht er mit Gesang ins Peld, nur im VWinter bleibt er 
n den Zelt. Er erobert ohne Zahl die schönsten Schlößlein 
Berg und Tal; er bricht in ihre Reller ein und trinkt aus 
goldnen Becherlein immer neuen, süben Wein; dann nimmt 
3r elnes Mehl in jede Hand und baut zu Hause Kammern 
Wand an Wand. Die Kammern füllet er mit süßem NMost und 
sorgt im Sommer für des Wnters Rost. Und wäre jeder- 
Nadn o arbelsam vwie er. so gäb's im Lande keine Bettler 
mehr. 
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