169
Mensch, so war es nicht gemeint. Ich vwill dir aber einen
jungen Baum schenken, den setze in das Loch, das du ge—
macht hast, und nach einigen Jahren werden die Taler schon
zum Vorschein kommen!“ Ich setzte den jungen Stamm in die
Erde. Er wuchs und wurde der grobe, herrliche Baum, den
ihr hier vor Aaugen seht. Die köstlichen Früchte, dieé er nun
seit vielen Jahren getragen hat, brachten mir schon weit mehr
als hundert Taler ein, und noch immer ist er ein Rapital, das
reichliche Zinsen trägt.“ Chr. v. Schmid
176. Das Vogelnest.
1. Tritt leise, Kind, daß ich das Nest dir zeige;
die kleine Wiege ruht auf schwankem Zweige.
Still! reg' dich nicht, und bleibe ruhig stehn!
Ich hebe dich empor; du sollst es sehn.
2. Beiseite heb' ich sacht der Zweige Spitzen;
siehst du nicht dort zwei schwarze Äuglein blitzen?
Sie blicken nach uns beiden unverwandt;
das Vöglein dort sitzt auf sein Nest gebannt.
3. Jetzt regt es sich; husch! ist's davon geflogen;
doch fliegt's um uns in immer kleinern Bogen
und klagt und mahnt, wir sollen wieder gehn.
Hast du die Eierchen im Nest gesehn?
4. Kaum sind wir fort, so fliegt das Vöglein wieder
aufs Nest und breitet sorgsam sein Gefieder
und sitzt auf seinen Eiern unbewegt,
bis sich geheimnisvoll das Leben regt.
5. Es pickt und pickt, — und wenn ein Ei zerbrochen,
so kommt ein Vöglein an das Licht gekrochen.
Ein winzig Ding; die Mutter deckt es zu;
denn nackt kam's auf die Welt, wie einst auch du.
6. Bald hockt ein ganzes Häuflein in der Wiege.
Der Vater bringt ein Würmlein, eine Fliege,
ein Räuplein, das vom grünen Blatt genascht,
ein Mücklein, das er flink im Flug' erhascht.
7. So nährt er sie; bald folgt ihm hin und wieder
die Mutter auch, fliegt suchend auf und nieder