12
231
ein französisches Pferd am Zügel. Mit ein paar Sprüngen war der
Graf dort und saß im Sattel. Er hoffte, daß die anderen ihm folgen
würden; darum verweilte er noch einige Augenblicke, aber vergebens.
Der Masse der Feinde war es bald gelungen, die sieben verwundeten
deutschen Krieger zu überwältigen und gefangen zu nehmen. Endlich
wurde auch der Graf entdeckt und von einem Trupp verfolgt; er
mußte fliehen.
Zum Glücke war das Pferd gut. Ein kleines Gehölz brachte seine
Verfolger von ihm ab. Kaum hatte er im vollen Rosseslaufe ein
zweites Gehölz erreicht und in einem Dickicht halt gemacht, als dicht
bor ihm ein Zug Chasseurs vorübergaloppierte. Er blieb jedoch un—
entdeckt. Was sollte aber werden, wenn die Suche bedächtiger und
eingehender fortgesetzt wurde, wenn das Pferd nicht in seiner Ruhe
verharrte? Ein Laut, eine Bewegung des Tieres mußte das Versteck
von Roß und Reiter verraten. Darum band der Graf sein Roß im
Dickicht fest und eilte, indem er die schattigen und dichteren Stellen
benutzte, tiefer ins Holz. Dort erkletterte er einen hohen Baum, um
sich in dessen Krone zu bergen und einen bessern Ausblick zu ge—
winnen. Bald folgte dem ersten ein zweiter Zug Chasseurs, endlich
noch ein dritter. Sie sprengten durch und um das Gehölz nach allen
Richtungen. Mehrmals konnte er sie von seinem Versteck aus unter
sich hinreiten sehen. Endlich nach drei Stunden langen Harrens ward
es still; seine Verfolger mußten abgezogen sein. Da stieg er herab
und überzeugte sich, daß sich sein Pferd noch in seinem Verstecke befand,
durchsuchte die umliegenden Felder, kroch horchend und spähend zwei
Stunden lang umher, fand aber keine Spur seiner Gefährten. Nun
durfte er nicht länger verweilen; andere heilige Pflichten riefen ihn.
Es galt, von seinen wichtigen Beobachtungen Meldung zu machen.
Als er nach dem Holze zurückschlich, gewahrte er ein mit zwei
mageren Kühen bespanntes Wägelchen. Ein armes Bäuerlein und
seine Tochter beluden es mit halbverdorrtem Grase, das sie mühsam
gesammelt hatten. Sie fühlten Mitleid mit ihm und boten dem Er—
schöpften die erste Labung nach langer Zeit. Der Bauer melkte seine
beiden Kühe, und die Tochter schenkte ihm zwei Birnen, die sie für
den eigenen Durst zu sich gesteckt hatte. Mit einem herzlichen „Ver—
gelt's Gott!“ schied er von den guten Menschen.
Da die Karten, mit denen Graf Zeppelin sich im Augenblicke des
Überfalls beschäftigt hatte, im Scheuerlenhofe liegen geblieben waren,
so mußte er sich mühsam einen Weg durch das rauhe, unwegsame
Waldgebirge suchen. In tiefer Nacht erreichte er Sulzbach und wagte
es, hier den Rest der Nacht zu verbringen. Am nächsten Morgen