248. Soldatengeschichten. 211
mußte, statt des vergeblichen Klagens und Bittens die kurze Frist zu benutzen
nd ihr Bestes noch geschwind auf die Seite zu schaffen Die fürchterliche
Slunde schlug. Die Trommel wirbelte ins Klagegeschrei der Unglücklichen.
Durch das Getümmel der Flüchtenden und Fliehenden eilten die Soldaten auf
ihren Sammelplatz. Da tritt der brave Kommandant von Hersfeld durch die
Reihen seiner badischen Jäger, stellt ihnen zuerst das traurige Schicksal der
Einwohner lebhaft vor die Augen und sagt hierauf: „Soldaten, die Erlaubniß
zu plündern fäͤngt jetzt an. Wer dazu Lust hat, der trete heraus aus dem
Glied!“ Kein Mann trat heraus. Nicht einer! Der Aufruf wurde wiederholt.
Kein Fuß bewegte sich; und wollte der Kommandant geplündert haben, so
haͤtte er mussen selber gehen. Aber es war wohl niemand lieber als ihm, daß
die Sache also ablief; das ist leicht zu bemerken. Als die Bürger das erfuhren,
war es ihnen zu Muthe wie einem, der aus einem schweren Traum erwacht;
ihre Freude ist nicht zu beschreiben. Sie schickten sogleich eine Gesandtschaft
an den Kommandanten, ließen ihm für diese Milde und Großmuth danken
und boten ihm aus Dankbarkeit ein großes Geschenk an. Wer weiß, was
mancher gethan hätte; aber der Kommandant schlug dasselbe aus und sagte,
er lasse sich keine gute That bezahlen.
Dies ist geschehen im Februar 1807; und so etwas ist des Lesens zwei—
mal werth. Der Kommandant, ein wackerer badischer Offizier, hieß Lingg.
— Die Stadt Hersfeld ernannte ihn zu ihrem Ehrenbürger und stellte seine
Bildsäule im Rathhause auf. Der Kurfürst erhob ihn später in den Adelstand
unter dem Namen Lingg von Linggenfeld. Der zu den höchsten mili—
tärxischen Würden emporgestiegene Edelmann starb am 21. Januar 1842 in
Mannheim. Gebel.)
8. Während der Belagerung der Festung Metzz, kurz vor ihrer Ueber—
gabe an das deutsche Heer (27. October 1870), erxeignete sich folgende
hübsche Geschichte. Ein in die Festung gehöriger französischer Soldat war von
den preußischen Vorposten gefangen genommen worden. Er sollte nach Cornh,
wo der Feldherr Prinz Friedrich Karl sein Hauptquartier hatte, gebracht werden.
Auf diesem Wege mußte er mit dem ihn begleitenden Soldaten durch ein nahe
bei Metz liegendes Dorf, wo seine Frau und seine Kinder wohnten. Er bat
daher, unterwegs seine Familie besuchen zu dürfen und der gutmüthige Pom⸗
mer, der an seiner Seite ging, erlaubte es sogleich. Da war denn die Freude
des Wiedersehens groß. Die arme Frau schluchzte vor Rührung als sie auf
wenige Augenblicke ihren lieben Mann wieder hatte. Aber nun bat sie drin⸗
gend, ihn wenigstens noch bis nach Corny begleiten zu dürfen; auch das ward
ihr gestattet. Doch da ergab sich eine neue Schwierigkeit wegen der Kinder.
Der kleine fünfjährige Bube konnte freilich schon an seines Vaters Seite dahin⸗
traben, aber da war auch noch ein Säugling, der ohne Pflege und Wartung
nicht zurückbleiben konnte, die Mutter aber war viel zu schwach, ihn die lange
Strecke zu tragen. Jedoch auch diese Schwierigkeit ward überwunden. Der
gute Pommer, der wohl an seine Kinder daheim dachte, erbot sich auf seinem
starken Arm das Kleinste zu tragen, und da er kurz vorher gerade in diesem
Dorfe neben dem Hause der Frau im Quartier gelegen und sich mit den Kin⸗
dern befreundet hatte, so streckte ihm der Säugling auch seine kleinen Arme
entgegen und legte ganz zufrieden sein Köpfchen an die Schulter des Mannes.