Full text: [Teil 1, [Schülerband]] (Teil 1, [Schülerband])

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ihm seine Mutter, das alte Reh, ein weiches Lager aus Moos und 
ttocknem Laub ausgesucht und tränkte es täglich mit Milch. 
Das Rehkälbchen sah allerliebst aus. Sein braunes Pelzwams 
war mit weißen Flecken besetzt; allein seine Beinchen waren anfäng— 
lich noch so schwach, daß es auf ihnen kaum stehen und nur ein paar 
kleine Schritte machen konnte. 
Das alte Reh ging vom Lager hinweg, um auf der Waldwiese 
Futter für sich zu suchen und am Quell einen frischen Trunk zu tun. 
Als es von seinem Kindchen Abschied nahm, drückte es dieses mit dem 
Munde aufs Lager nieder. Dort blieb das Kälbchen folgsam still 
liegen, bis seine Mutter zurückkam. So konnte diese es im großen 
Wald sicher wiederfinden. Nach ein paar Tagen wurden seine Beine 
schon etwas stärker, und es versuchte schon, niedliche Sprünge zu 
machen. Es war aber noch nicht kräftig genug, um mit seiner Mutter 
im Galopp schnell über Berg und Tal zu jagen und über die Büsche 
und Gräben hinwegzuspringen. 
Es kommen Kinder in den Wald, um Beeren zu suchen. Männer 
und Frauen nahen dem Lager, um Holz zu sammeln. Das alte Reh 
stampft ein wenig mit dem Vorderfuß. Das Rehkälbchen versteht, was 
die Mutter wünscht: es soll sich niederlegen und unter dem Laube und 
den großen Farnkräutern verkriechen. Das alte Reh wird von den 
Kindern und von den Holzsuchern gesehen. Wollen sie es haschen, 
so läuft es anfänglich längsam ein Stück fort und bleibt zu Zeiten 
sogar ein wenig stehen. GEs verstellt sich, als sei es lahm und könne 
nicht schnell springen. Die Leute laufen ihm nach. Das Reh lockt 
sie von seinem Kälbchen im Lager hinweg, weiter und weiter. Endlich, 
wenn es denkt, daß sein Kindchen gesichert ist, trabt es schneller und 
schneller. Die Leute verlieren es bald im dichten Gebüsch aus den 
Augen. Nachher kehrt es in großem Bogen auf einem Umwege zum 
Rehkälbchen zurück. Dieses ist der Mutter folgsam gewesen und liegt 
noch mäuschenstill auf demselben Fleck. Dadurch ward es gerettet. 
Es ist auch für ein Rehkälbchen sehr gut, wenn es darauf merkt, 
was die Mutter wünscht, und wenn es genau nach ihrem Willen tut. 
Es wird dadurch vor Gefahren und vielen Nöten bewahrt. Menschen— 
kinder tun auch also; denn sie sind ja noch verständiger als Rehkälbchen. 
Herzblättchens Naturg. U. S. 81. Herm. Wagner. 
194. Die Henne und der Kuckuck. 
Eine Henne spazierte mit ihren Küchlein auf dem Hofe umher und 
gab fleißig acht, daß keines von ihnen zu Schaden kam. Dabei scharrte 
fie hier und da das Erdreich auf, und fand sie ein Körnchen oder ein 
Würmchen oder sonst einen Leckerbissen für die Kleinen, so rief sie alle 
gackernd herbei und freute sich, wenn es ihnen schmeckte. 
Ein Kuckuck, der das Treiben der Henne und ihrer Küchlein von 
einem Birnbaume angesehen hatte, schütlelte verwundert über die un— 
endliche Sorgfalt und Muͤhewaltung der Mutter den Kopf und sagte:
	        
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