134 D. Die heimatliche Flur im Jahreslaufe.
oft gar nicht darauf; sie haben monatelang in der Stille geschafft;
jetzt öffnen sie ihre grünen, bittern Schalen und lassen die süben
Kerne zur Erde fallen. Die Haselnubsträueher haben ebenfalls
ihre Nüsse in Bereitschaft und lassen sie aus gar zierlichen, grünen
Bechern oben heraussehen, damit die Menschen gleich wissen, was
in ihnen steéckt. Da kommen die Knaben und Mädehen und langen
zu und knacken, ohne dab es ihnen die Sträucher wehren. Aber
alle Nüsse bekommen sie doch nicht; denn das Eichhörnchen hat
sich auch seinen Teil geholt, um für den kalten Winter Vorrat
zu haben. Im Herbste, holt man auech den nützlichen Flachs
von der Böste; er ist fast nieht genug zu loben und zu prei—
sen, so gering er auch aussieht. Von der Seide macht man ein
gewaltiges Rühmen, aber der Flachs ist doch der Meister; denn
ein seidenes Kleid kann man gar leicht entbehren, aber nicht
ein Hemd.
Von den Schatzgräbern, diesen Betrügern, mag ich nichts
hören; aber die Schatzgräber im Herbste sehe ich mit Lust. Gold
unc Silber graben sie freilich nicht aus dem Boden, aber dafür
etwas, was tausendmal mehr wert ist. Geht in ein Haus, in welches
ihrr wollt, und ihr werdet nicht vergeblich nach Kartoffeln fragen,
wenn ihre Zeit da ist. Was wollten arme Eltern mit ihren vielen
Kindern anfangen, wenn sie ihnen nicht eine tüchtige Schüssel voll
Kartoffeln vorsetzen könnten! Aber auch die Reichen wissen diese
gemeine, unansehnliche Knolle zu schätzen und sehen sie gern auf
ihren Tafeln.
so groß aber aueh der Nutzen und Segen der Rartosfel ist, s0
geht es doch bei ihrer Ernte recht still her, und man hört niehts
von Jubeln und Jauchzen und Böllern und sieht nichts von geputzten
Wagen und Menschen. Diese Ehre widerfährt nur den Wein—
trauben und dem Weine. So ist der Mensch! Alle Achtung vor
dem Weine; denn er erfreut des Menschen Herz. Aber wenn man
auf den Nutzen sieht, so sind doch die Trauben mit den Rartoffeln
nicht zu vergleichen. Nur wenige Menschen können Wein trinken;
aber alle können Kartoffeln haben. Der Wein hilft keinem hungrigen
Magen; aber die Kartoffeln thun es auf hunderterlei Art. Der Wein
hat schon Hunderte in das Verderben gestürzt; aber die Rartoffeln
haben schon Tausende aus dem Verderben gerissen. Der Wein ist
nur ein Ereund der Reichen; die Kartoffeln aber sind Freunde der
Reichen und ger Armen. Q. Walther.