Full text: [Theil 1, [Schülerband]] (Theil 1, [Schülerband])

7 
Man that, was man konnte; jeder erzählte eine Geschichte aber 
die meisten derselben klangen wie Lügen oder waren gar ungereimt. 
Einer erzählte von einem dreihundertjährigen Weine, den er getrunken 
haben wollte. 
„Das ist noch nichts,“ sagte der Schiffskoch. „In meiner 
Vatersladt wurde eilmal ein verschütteter Keller aufgegraben, da fand 
man Bonteillen, auf denen die Jahreszahl 900 stand; die sind also 
bis 1812 912 Jahr alt gewesen.· „Und wie schmeckte der Wein?“ 
fragte der Kapikän. „Es war keiner mehr darin,“ sagte der Koch. 
Der Schiffschirurg erzählte hierauf mehrere schreckliche Geschichten 
von der Wirkung des tollen Hundsbisses. Unter ändern berichtete er, 
daß dor lichen Jahren eine Herrschaft mit ihrem Wagen auf einem 
Hugel unweit Glasgow vor dem Posthause gehalten habe. Die Pferde 
aten ausgespannt, die Herrschaft hatte sich eine porzellanene Schüssel 
mit Krebsen in den Wagen geben lassen und wollte frühstücken, da 
kam ein loller Hund und biß in ein Rad des Wagens, und der 
Wagen wurde so wüthend, daß er mit der Herrschaft davon lief — 
gerade den Berg hinuunter; die Leute, die darin saßen, kamen alle um, 
un die potgellanene Schüssel mit den Krebsen blieb unversehrt, — 
ell der Krebs ein kallblütiges Vieh ist, dem der tolle Hundsbiß 
nichts anhaben kann.“ 
„Ei so lüge du!“ rief der Kapitän ganz unwillig und wollte 
von femem Sie aufstehn; da sprach einer von den Passagieren: 
Herr Kapitän, gedulden Sie sich nur noch einige Minuten! Ich sehe, 
baß Sie den Unwahrheiten feind sind; ich will Ihnen eine ganz 
wahre Geschichte erzählen, die ich selber erlebt habe“ Hierauf erzaͤhlte 
de Mann von einer Schifffahrt, die er einst gerade in der schlimmsten 
Jahreszeit von England nach Kanada gemaächt habe. Er beschrieb 
it großer Lebendigkeit einen Sturm, der das Schiff dem Untergange 
nahe brachte. „Endlich,“ so fuhr er fort, nahten wir uns den 
Banken von Neufundland. Zum ersten male schien wieder die Sonne 
ich fand am Bord, schaute nach dem Land hinüber und spielte mit 
Neinem Riuge; er fiel mir hinab ins Meer. Der Ring war mir sehr 
erlh, nicht nur wegen des kostbaren Steines, den er enthielt, sondern 
als Geschenk meiner Braut; ich war sehr betrübt über seinen Verlust. 
Wir vollendeten glücklich unsere Reise und kehrten jetzt zurück Auf 
der Heimfahrt kamen wir wieder in dieselbe Gegend des Meeres, in 
der ich meinen Ring verloren hatte. Ich fühle mich gedrungen, die 
Angel auszuwerfen; ein ziemlich großer Fisch beißt an; ich ziehe ihn 
herauf an Bord, schneide ihn auf und — was meinen Sie, daß ich 
n seinem Leibe gefunden habe?“ — „Nun den Ring?“ — sagte der 
Kapitän. — „Näin, bei meiner Ehre“ sprach der Passagier, nichts 
als die bloßen Eingeweide.“ Der Kapitän lachte, und seine Schlaf— 
stunde war glücklich vorbeigegangen. 
Deutsches Lesebuch B. J.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.