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Und einer von den kleinsten Jungen Erscheint er endlich siegesmatt
Der hat am laut'sten mitgesungen; Die andern waren halb schon satt —
Die bunte Mütze auf dem Oht Grüßt obenhin setzt sich zu Tisch
Die Höslein flott im en n Und greift nach seinem Loöffel frisch.
Marschiert er wacker mit im Chor,
Beteiligt sich den Morgen lang Jedoch der bied're Vater spricht:
n jedem Schret und sedem Sangz Ungebetet h man ne
So wichtig nahm's der kleine Wicht Worauf men Fritz vom Stuhl ersteht,
Als ging's ohn' ihn entschieden nicht. De Hande faltet zum Gebet;
War so mit Leib und Seel dabei, Und weil fein Kopf noch start zerstreut,
Als ob er selbst die sei Giebt's wie der Geist hm just gebenne
Hat drum den Glockenschlag vergessen 3 spricht..
Und kam zu spät zum Mutagsesfen. Lieber Gott magst ruhig sein,
Fest steht und treu die Wacht am Rhein!
Mit heißen Wangen, rotem Kopf, Amen !⸗
Mit offner Brust, verwehtem Schopf
Karl Gerok. Daheim. VIL Jahrgang. Leipzig 1871. Nr. 19. S. 304.
412. Ein Abendsegen.
Nach dem großen Kampfe und Triumphe von Sedan, schreibt ein
thüringischer Offizier, trat das vierte Armeecorps seinen Marsch nach Paris
wieder an und kam zur ersten Nachtruhe in Angecourt (Angschkuhr) Unser
Bataillon vom thüringischen Infanterie- Regimente Nr. 96 schlug sein Quar⸗
tier in der Kirche auf. Die Mannschaft lagerte im Schiffe, wir Offiziere
in der Sakristei. Die todmüden Krieger streckten sich zum Schlummer
aus, schon als die Abenddämmerung die hohen Kirchenfenster umschleierte.
Nur einzelnes Flüstern belebte noch hier und da den heiligen Raum.
Die Weihe der Dämmerung ergriff die Herzen und lenkte die Sehnsucht
zu den Lieben und zur Heimat. Und doch verscheuchte die Erinnerung
an den blutigen Sieg, die Wehmut über die gefallenen und verwun—
deten Kameraden und wieder das stolze Bewußtsein, zum Heile und Ruhme
des Vaterlandes mitgefochten zu haben, uns den Schlaf aus den Augen;
wir alle hatten das Gefühl, daß uns noch etwaͤss zum Schlusse des
Tages fehle.
Da erklang in der Stille der Dämmerung erst leise, dann immer
kräftiger anschwellend, auf der Orgel die Melodie des Liedes: „Nun
danket alle Gottl“ Wie aus einer Brust stimmten alle, Offiziere und
Soldaten, in den heiligen Gesang ein. Und als das Spiel zu Ende
war, trat der Orgelspieler hervor und hielt uns eine kurze, aber zu
Herzen gehende Ansprache, die er mit einem Hoch auf das große, einige
Vaterland schloß. Und abermals zur Orgel sich wendend stimmte e
zum Schlusse das alte, protestantische Lied an: „Eine feste Burg ist unser
Gott!“ Allen, allen war nun wohl im Gemüte, alle dankten dem braven
Sänger und Redner. Und wer war er? Ein thüringischer Lehrer, der als
Gemeiner in der elften Kompagnie steht; ihm dankte ein ganzes Bataillon
diesen herrlichen Abendsegen. Gartenlaube. Leibzig 18270. S. 108