Full text: Dichter im deutschen Schulhause

Und es erbebt ihm das Herz voll süßer Schauer des Maiglücks, 
Und es erbebet die Lippe, zu preisen den Geber der Gaben. 
Und die lange dem alternden Auge, die Zähren, 
Strömen in perlender Fülle ihm über die welkenden Wangen. 
Keines Auge sie schaute, nur eines: Die Jungfrau im Stande“, 
Binter dem bergenden Gitter, errichtet den Gutsherrn des Sprengels. 
Wohl war bekannt ihr der Alte nicht nur als Kantor der Kirche, 
Auf der Erkenntnis Bahn ihr hat er die Schritt auch geleitet, 
Bis die Gereiftere später gebracht ward zur bildenden Großstadt, 
Dort zu empfangen den „Schliff“ im Malen und Singen und Tanzen. 
Doch war teuer geblieben der würdige Alte ihr immer, 
Und was er sie gelehrt, nie hat sie es wieder vergessen. 
Ihn nun schauen konnte sie heut nicht ohne Bewegung: 
Wie er gewelkt warl Wie sehr gebrochen in kurzem! 
Daß er beim Spiele der Orgel am letzten Feste der Ostern 
Ward von Lähmung betroffen, das hatte sie heut erst erfahren 
Hier an heiliger Stätt' und daß ein andrer, sein Enkel, 
Sollte des Amtes heut walten, in dem sie so gern ihn gehöret. 
Mit nachfühlendem Schmerz drum war ihr Aũge geheftet 
Auf die gebeugte Gestalt im dunkelnden Schatten der Säule. 
Mit Verständnis, so eigen dem Frauenherzen, dem zarten, 
Hatte empfunden den Strom sie selb'ger Gefühle des Alten, 
Hatte der Wehmut Schmerz, wie den freudigen Stolz auch empfunden, 
Der ihm schwellte die e an der Stätte, die bald er müßt' meiden. 
Bald nach erbaulicher Predigt, die würdig der Sprache vom Chore, 
Hatte geleert sich das Haus, nur wenige waren geblieben: 
Aus den Ständen die Gutsherrn, sowie die Franen und Töchter, 
Grüße wechselnd und Fragen, wo bald man sich wolle besuchen 
In den Tagen des Festes zu frohem, geselligem Leben. 
Siehl da erscheinet der Spieler, und mit beflügelten Schritten 
Eilet hin er zur Stelle, wo seiner harret der Alte; 
Und ihm benl er den Arm, ihn heimzuführen zur Wohnung. 
Kaum war bemerkt das Paar, so traten die stattlichen Herren, 
Gruß entbietend heran und Dank dem Spieler und Glückwunsch, 
Wie dem gebeugten Greis, als Lehrer ihr einstiger Fördrer. 
Eine nur saß versunken noch immer in scheinbarer Andacht, 
Schante den Scheidenden nach bis geweckt aus staunvollem Schweigen, 
Mit dem mahnenden Ruf sie folgte auch Vater und Mutter. 
Ziegler, Dichten. 
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