Full text: Spiegel neudeutscher Dichtung

Maximilian Dauthendey. 
Habe im Feld bei den Kräutern gesessen. 
Um mich schwärmten Hummeln und Fliegen; 
und Blumen stiegen jung aus der Erde, 
mich wärmten Tiere und Blumen. 
Bin dann zurück in die Stadt gegangen. 
Kalt waren die Straßen, 
keine Vögel sangen, 
die Menschen der Stadt blickten kalt, 
wärmer blicken draußen die Schlangen. 
Solch ein lauer weißer Tag; 
mag die Hände gar nicht rühren, 
nur die Augen liegen wach. 
Draußen welken gelb die Bäume, 
in der stillen Esche nicken 
graue Blätter altersschwach, 
graue Blätter, graue Träume. 
Silberwollige Disteln am Wege, 
Farrenkräuter, gelb, schon von Fäule geknickt. 
Rege dich, Herz, sammle dir Wärme, 
bald ist der Sommer eingenickt. 
Schon jammern vom Walde herbstbleich die Winde. 
Birg reich Sonne in deine Kammern, 
Sonne in Truhen und Spindel! 
Als ich glücklich war, 
konnte ich nicht singen, 
schmückte tagelang 
Haar und Hals und Brust 
mit Korallenrot und mit goldnen Ringen. 
Nun ich arm, arm bin, 
sing ich tausend Lieder, 
schlinge rote Töne 
über Haar, Hals, Glieder. 
Keiner soll es sehen, 
daß ich glücknackt bin. 
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