Full text: Deutsche Poesie von den Romantikern bis auf die Gegenwart

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Adalbert von Chamisso. 
Daß dieser so sich weigert, das ist sür ihn der Sporn; 
Der Gier in seinem Herzen gesellet sich der Zorn. 
41. Er spricht mit höhnischem Lachen: „Du hältst mich für ein Kind! 
Was sehend auf einem Auge, macht nicht auf dem andern mich blind. 
Bestreiche mein rechtes Auge, wie du das linke getan, 
Und wisse, daß, falls du mich reizest, Gewalt ich brauchen kann!“ 
42. Und wie er noch der Drohung die Tat hinzugefügt, 
Da hat der Derwisch endlich stillschweigend ihm genügt; 
Er nimmt zur Hand die Salbe, sein rechtes Aug' er bestreicht — 
Die Nacht ist angebrochen, die keinem Morgen weicht. 
48. „O Derwisch, arger Derwisch, du doch die Wahrheit sprachst; 
Nun heile, Kenntnisreicher, was selber du verbrachst!“ 
„Ich habe nichts verbrochen; dir ward, was du gewollt; 
Du stehst in Allahs Händen, der alle Schulden zollt.“ 
44. Er fleht und schreit vergebens und wälzt sich in dem Staub; 
Der Derwisch abgewendet, bleibt seinen Klagen taub; 
Der sammelt die achtzig Kamele und gen Bassora treibt, 
Derweil Abdallah verzweifelnd am Quelle der Wüste verbleibt. 
45. Die er nicht schaut — die Sonne, vollbringet ihren Lauf; 
Sie ging am andern Morgen, am dritten wieder auf. 
Noch lag er da verschmachtend; ein Kaufmann endlich kam, 
Der nach Bagdad aus Mitleid den blinden Bettler nahm. 
121. Die Sonne bringt es an den Tag. 
1. Gemächlich in der Werkstatt saß 
Zum Frühtrunk Meister Nikolas. 
Die junge Hausfrau schenkt' ihm ein; 
Es war im heitern Sonnenschein. 
Die Sonne bringt es an den Tag! 
2. Die Sonne blinkt von der Schale Rand, 
Malt zitternde Kringel an die Wand 
Und wie den Schein er ins Auge faßt, 
So spricht er für sich, indem er erblaßt: 
„Du bringst es doch nicht an den Tag!“ 
3. „Wer nicht? was nicht?“ die Frau fragt gleich. 
„Was stierst du so an? Was wirst du so bleich?“ 
Und er daxauf: „Sei still, nur still! 
Ich's doch nicht sagen kann, noch will. 
Die Sonne bringt's nicht an den Tag!“ 
4. Die Frau nur dringender forscht und fragt, 
Mit Schmeicheln ihn und Hadern plagt,
	        
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