Adalbert von Chamisso.
10. Und aus beklommner Brust zuerst befreit' ich
Das schnelle Wort: „Du grause Truggestalt,
Entweiche, mache mir den Platz nicht streitig!“
11. Und er, als einer, über den Gewalt
Die Furcht nur hat, erzwingend sich ein leises
Und scheues Lächeln, sprach erwidernd: „Halt!
12. Ich bin's, du willst es sein; um dieses Kreises,
Des wahnsinndroh'nden, Quadratur zu finden,
Bist du der Rechte, wie du sagst, beweis es!
13. Ins Wesenlose will ich dann verschwinden.
Du Spuk, wie du mich nennst, gehst du das ein?
Und willst auch du zu gleichem dich verbinden?“
14. Drauf ich entrüstet: „Ja, so soll es sein:
Es soll mein echtes Ich sich offenbaren,
Zu nichts verfließen dessen leerer Schein!“
15. Und er: „So laß uns, wer du seist, erfahren!“
Und ich: „Ein solcher bin ich, der getrachtet
Nur einzig nach dem Schönen, Guten, Wahren;
16. Der Opfer nie dem Götzendienst geschlachtet
Und nie gefröhnt dem weltlich eitlen Brauch,
Verkannt, verhöhnt, der Schmerzen nie geachtet;
17. Der irrend zwar und träumend oft den Rauch
Für Flamme hielt, doch mutig beim Erwachen
Das Rechte nur verfocht. Bist du das auch?“
18. Und er mit wildem, kreischend lautem Lachen:
„Der du dich rühmst zu sein, der bin ich nicht;
Gar anders ist's bestellt um meine Sachen.
19. Ich bin ein feiger, lügenhafter Wicht,
Ein Heuchler mir und andern, tief im Herzen
Nur Eigennutz und Trug im Angesicht.
20. Verkannter Edler du mit deinen Schmerzen,
Wer kennt sich nun, wer gab das rechte Zeichen?
Wer soll, ich oder du, sein Selbst verscherzen?
21. Tritt her, so du es wagst; ich will dir weichen!“
Drauf mit Entsetzen ich zu jenem Graus:
„Du bist es: bleib, und laß hinweg mich schleichen“
Und schlich zu weinen in die Nacht hinaus.
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