Wilhelm Müller.
227. Am WMitternacht.
Gelassen stieg die Nacht ins Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand;
Ihr Auge sieht die goldne Wage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn.
Und kecker rauschen die Quellen hervor;
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
2. Das uralt alte Schlummerlied,
Sie achtet's nicht, sie ist es müd';
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flücht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort;
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
228. Er isl's.
Frühling läßt sein blaues Band Wollen balde kommen.
Wieder flattern durch die Lüste. — Horch, von fern ein leiser Harfen—
Süße, wohlbekannte Düfte ton!
Streifen ahnungsvoll das Land. Frühling, ja, du bist's!
ʒVeilchen träumen schon, Dich hab' ich vernommen!
Wilhelm Müller.
229. Vineta.
1. Aus des Meeres tiefem, tiefem Grunde
Klingen Abendglocken dumpf und matt,
Uns zu geben wunderbare Kunde
Von der schönen, alten Wunderstadt.
2. In der Fluten Schloß hinabgesunken,
Blieben unten ihre Trümmer stehn;
Ihre Zinnen lassen goldne Funken
Widerscheinend auf dem Spiegel sehn.
3. Und der Schiffer, der den Zauberschimmer
Einmal sah im hellen Abendrot,
Nach derselben Stelle schifft er immer,
Ob auch ringsumher die Klippe drob
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