Full text: Unterstufe (Teil 1 = Klasse 6, [Schülerband])

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K. Müllenhoff, De gode Krischan. 
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stets ließ sie sich auf dem Turm des Schlosses sehen in einem nebelartigen 
weißen Gewande, so oft ein Glück oder Unglück bevorstand. Sie hat 
sich da lange Jahre auf dem Turm aufgehalten und war recht der 
Schutzgeist des Schlosses und seiner Bewohner; als aber ihr Beschützer 
Heinrich Rantzau starb, zeigte sie sich nur in schwarzen Kleidern, und 
darum nennt man sie seit der Zeit stets die swarte Dorte. 
Einst faßten die Bauern des Gutes heimlich den Beschluß, den 
Gutsherrn gefangen zu nehmen und sich seiner Herrschaft zu entledigen. 
Ob ihr Wohlstand sie übermütig gemacht, oder der Herr durch Härte sie 
erbittert hatte, weiß man nicht; genug, sie stürmten alle bewaffnet aufs 
Schloß und dachten den Herrn zu fangen, aber sie fanden nur das leere 
Haus; der Besitzer, gewarnt, war eben vorher abgereist. Nun fielen die 
Bauern über das Schloß her und wollten es zerstören; vergebens warnte 
und ermahnte sie ein alter Bauer, davon abzulassen und ruhig nach 
Hause zu gehn; sie hörten nicht auf ihn und begannen ihr Werk. Wütend 
lobten fie durch das ganze Schloß; als es aber gegen Abend kam und 
sie in den großen Saal eindrangen, trat ihnen drohend und mit zorniger 
Gebärde die schwarze Dorte entgegen. Voller Schrecken wichen sie zurück 
und flohen; aber der Fluch der schwarzen Frau folgte ihnen. Noch in 
derselben Nacht stand das ganze Dorf in Flammen; da liefen die Bauern 
eilig nach dem Teiche, um Wasser zum Löschen zu holen, aber keiner 
kehrte zurück, denn alle wurden mit Frau und Kind in Frösche ver— 
wandelt, und wo bisher das Dorf gewesen war, stand von dieser Zeit an 
der Teich mitten in einer großen grünen Wiese. 
Die große, schöne Eiche, die unter dem Namen des Pfannekuchenbaums 
in der ganzen Gegend bekannt ist, hat vormals auch zu dem untergegangenen 
Dorfe gehört. Darunter saß damals in tiefer Trauer der alte Bauer, der die 
anderen gewarnt hatte und ihr Treiben hindern wollte; er allein und seine 
Tochter waren verschont geblieben, aber Hab und Gut hatten sie verloren. 
Da setzte sich ein wunderschönes Vöglein über ihnen auf einen Zweig und 
sang mit heller Stimme ein Lied. Da stand der Alte auf und folgte dem 
Vogel, der langsam vor ihm hinflog und bald an dem Ort sich nieder⸗ 
ließ wo jetzt das Dorf Mehlbeck steht. Sogleich verschwand der Vogel; 
aber unter einem Baume lag ein schwerer Geldsack, darauf stand ge— 
schrieben: Meinem treuen Helfer in der Not. Da fing der Alte an und 
ließ ein neues Haus bauen, und bald folgten mehr Leute seinem Beispiele, 
in der Hoffnung, daß auch ihnen solches Glück zuteil werde. Allein 
die schwarze Dorte hat nur einmal ein solches Wunder getan. 
66. (67.) De gaode Krischan. 
K. Müllenhoff, Sagen ꝛc. aus den Herzogtümern Schleswig⸗Holstein und Lauenburg. 
Es war einmal eine traurige Zeit für Blankenese. Kein Fisch ging 
ins Netz mehr, keiner biß mehr an die Angel, das Korn auf dem Felde 
verdorrie und war taub, die Obstbäume standen leer, Kühe und Schafe
	        
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