Full text: Lesestücke zum Weltkrieg

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Wir müssen schon die Drahtschere zur Hand nehmen. Der Eisendraht ist 
so dick und so hart, daß das Durchschneiden desselben große Mühe macht. 
Und die Pfähle stehen so dicht, und sie sind so dicht und eng bespannt, 
daß man wohl 5070 Drähte durchschneiden muß, ehe man sich eine 
enge Gasse gebahnt hat. Nach 4Stunde Arbeit mögen wir das Draht⸗ 
hindernis überwunden haben. Die Hose ist natürlich sehr löcherig ge— 
worden, und die Hände haben Rißwunden. Zu unserm Glück war auch 
kein elektrischer Strom in den Drähten, sonst wären wir schon bei der 
ersten Berührung derselben tot liegen geblieben 
Das Minenfeld, das jetzt vor uns ist, dürfen wir natürlich nicht be⸗ 
treten, sonst fliegen wir alle wie Staub im Wirbelwind in die Luft. Das 
Mineufeld ist nicht zu sehen, darum ist's das beste, wir nehmen von vorn— 
herein an, daß wir glücklich hinübergekommen sind. Wie — ja, das weiß 
ich selbst nicht. Ein Sprung von 4mn hätte jedenfalls nicht genügt. 
Noch etwa 60 m stehen wir am feindlichen Schützengraben. Kaum, 
daß er zu erkennen ist; wenn man nicht dicht vor ihm steht. Er ist so 
tief, daß die Schützen aufrecht darin gehen können, ohne daß sie gesehen 
werden. Er scheint für alle Zeiten gemacht zu sein; denn seine Wände 
sind allseitig mit verankerten Hürden gestützt. Der Auftritt für den 
Schützen ist aus Feldsteinen hergerichtet. Hinter dem Auftritt führt ein 
Graben das Wasser fort. Auf der Brustwehr sind eiserne Schutzschilde, 
die mit kleinen Schießscharten versehen sind, eingebaut. Dahinter steht 
der Schütze ziemlich sicher, solange es keine Granate oder kein Schrapnell 
auf ihn abgesehen hat. Zum Schutz vor diesen sind in die Vorderwand 
des Schützengrabens Unterstände eingebaut, regelrechte Zimmer, die heiz- 
bar sind, oben eine etwa m starke Erddecke tragen und durch Schiebe— 
tür auch nach dem Graben zu verschließbar sind. Gewähren diese Erd— 
höhlen auch keinen Schutz gegen Volltreffer, so schüten sie doch gegen 
uͤmherfliegende Eisensplitter. Weiterhin sind Munitionsräume in den 
Grabenwänden hergerichtet Gut ausgemauert müssen sie sein. Auch 
Unterstände, die als Verbandplätze dienen sollen, sind nicht vergessen. 
In jedem Abschnitt des Schützengrabens sind Holztafeln angebracht, auf 
denen die wichtigsten Entfernungen verzeichnet sind, damit ein Einschießen 
im Gefecht nicht erst nötig ist. Da muß jeder Gruppenführer genau 
wissen, wie weit es bis zu jener Brücke, bis zu jener Straßenbiegung 
und bis zu der und der Höhe ist. — Von den vielen Arten moderner 
Waffen, die im Graben bereit liegen, nenne ich nur die bekanntesten: 
Gewehrgranaten, Handgranaten, Flatterminen, die Kußhandgranaten und 
Wurfminen. Zum Teil sind es fürchterliche Mordwerkzeuge. Die Ge—
	        
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