Volltext: [Teil 3 = Klasse 7 [= 3. Jahrgangsstufe], [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 7 [= 3. Jahrgangsstufe], [Schülerband])

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Stube war sauber gescheuert, das wenige Hausgerät war in guter 
Ordnung, und an der Wand hingen die Bilder des Kaisers und des 
Kronprinzen. Der Meister saß auf seinem Dreibein, die Hornbrille auf 
der Nase, das weißhaarige Haupt über einen Kinderschuh gebeugt, der 
eine gar bedenkliche „Offenheit“ zeigte. Als er den vornehmen Besuch 
gewahrte, sprang er schnell auf, wischte mit seiner blauen Arbeitsschürze 
einen Stuhl ab und bat „die gnädige Frau“, Platz zu nehmen. Ich 
danke,“ erwiderte die Kronprinzessin, winkte ihrem Töchterchen, sich auf 
den Stuhl zu setzen, und sprach: „Ich möchte ein Paar Schuhe für 
meine Tochter haben, aber gut und billig, wie auf Ihrem Schilde 
steht.“ — ‚„O darum seien Sie unbesorgt, gnädige Frau,“ rief der 
Meister und ließ sich gleich auf ein Knie nieder, um dem „gnädigen 
Fräulein“ Maß zu nehmen. 
„Dafür danke ich dem lieben Gott,“ sagte er in seiner treu— 
herzigen Weise, indem er sich die Maße aufschrieb, „daß er mir wieder 
einen neuen Kunden ins Haus schickt. Früher war's freilich besser. 
Da konnte ich meine zwei, drei Gesellen beschäftigen und hatte vollauf 
zu tun. Aber die Herrschaften wollen meist nur eine Ware haben, die 
recht schön aussieht, wenn sie auch nichts hält. Deshalb gehen sie in die 
schönen Läden, wo sie für schweres Geld nur die schlechte Fabrikware 
bekommen; für unsereinen bleibt dann nur noch die Flickerei übrig... 
Aber Sie werden sehen, daß Sie mit meiner Arbeit zufrieden sein 
können. Wann wünschen denn das junge Fräulein die Schuhe?“ — 
„Es hat keine Eile,“ antwortete die Kronprinzessin und zog einen 
Zwanzigmarkschein aus der Tasche, um ihn als Bezahlung hinzugeben. 
„O weh,“ sagte der biedere Meister, „da werd' ich wohl nicht heraus— 
geben können.“ — „Das sollen Sie auch nicht,“ entgegnete die Kron— 
prinzessin; „wenn die Schuhe fertig sind, schicken Sie sie nur an die 
Kronprinzessin nach dem Neuen Palais!“ — „An die Kronprinzessin — 
im Neuen Palais?“ stammelte der Meister und geriet aus einer Ver— 
legenheit in die andere, bis er endlich nach einigem Besinnen plötzlich 
ausrief: „Herr, mein Gott, Sie sind doch nicht etwa selbst —?“ worauf 
die Kronprinzessin unter freundlichem Kopfnicken mit ihrer Begleitung 
den Keller verließ. 
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