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Nachdem so die drohende Gefahr abgewendet war, zog Ferdi—
nand nach Frankfurt, um sich dort zum deutschen Kaiser krönen
zu lassen. Die aufgebrachten Böhmen aber wählten einen eige—
nen König, ihren Glaubensgenossen Friedrich von der Pfalz
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er gezaudert, das gefährliche Geschenk anzunehmen, doch seine
ehrgeizige Gemahlin, die Tochter des englischen Königs, drängte
unaushörlich. Seine kluge Mutter aber rief bei seinem Abschiede
ahnungsvoll und bekümmert: „Sohn, du trägst die Pfalz nach
Böhmen!“ Es war auch so.
d) Ferdinands Zieg und Gegenreformalion.
Tilly, der alte, erprobte Kriegsmann, der schon in 36
Schlachten siegreich gewesen war, zog als Feldherr des katho—
lischen Bundes gegen ihn und am Weißen Berge bei Prag ge—
waunn er in wenig Stunden eine entscheidende Schlacht, einen
Sieg von weltgeschichtlicher Bedeutung. Der Winterkönig (wer
war das? warum der Name?) und seine stolze Gemahlin flohen
mit geringer Habe. Nichts war ihm von der böhmischen Krone
geblieben. Er wurde als Hochverräter seines Landes und der
Kurwürde verlustig erklärt und letztere dem Führer des katho—
lischen Fürstenbundes als Lohn für seinen Beistand übergeben.
Die Pfalz ist heute noch ein Teil Bayerns. Böhmen wurde ein
Erbland der Habsburger.
Zum Dank für den Sieg ließ Kaiser Ferdinand II. eine
Wallfahrt nach Maria-Zell unternehmen und brachte dort der
Mutter Gottes eine goldene Krone im Werte von 10.000 Gulden
dar. Von den Urhebern des Aufruhrs wurden 48 gefangen und
27 derselben zum Tode verurteilt. ) Das Vermögen der Hinge—
1) Der erste, der den Richtplatz bestieg, war der oberste Landrichter,
Graf Joachim Schlick, einer der mächtigsten und angesehensten Edelleute Böh—
mens. Mit seltenem Mute starb er. Alles Volk, das Zeuge seines Todes war,
weinte. Ihm folgte Wenzel Budowetz von Budowa, ein in ganz Europa be⸗
rühmter Gelehrter und ehem. kais. Gesandter, diesem der Oberst Christoph
Harant v. Palzicz. Nach ihm empfing der 86jährige Landschreiber den
Todesstreich. So ging es schaudervoll fort. Als die letzten bestiegen das
Schaffot der Rektor der Prager Universität und berühmte Anatom Jessenius