Full text: Österreichische Vaterlandskunde für die oberste Klasse der Mittelschulen

172 Kreishauptmannschaft Zwickau. 
und mehrere alte Gemälde. Die Berg- oder Bergmanns- 
kirche, deren Prediger zugleich Diakonus an der Stadtkirche ist, 
ist die einzige Sachsens, und die Hospital- oder Begräbuiß- 
kirche die einzige, welche nach außen zu, nämlich nach dem Kirch- 
Hofe, eine Kanzel hat, auf der bei gutem Wetter die Kirchweih- 
predigt gehalten wird. Auf diesem Kirchhofe steht eine der son- 
derbarsteu Linden, denn angeblich ist sie, vor langer Zeit vom 
Sturme gestürzt, wieder mit den Aesten eingewurzelt, welche, durch 
23 Pfeiler gestützt, eine Art von Nische bilden. Unfern dieser Linde 
schlummert die unvergeßliche Wohlthäterin des Erzgebirges, Bar- 
baraUttmaun, geborne von Elterlein, einst Gattin eines reichen 
Bergherrn, welche während man bis dahin nur genähte und ge- 
stickte Spitzen kannte, das Spitzenklöppeln 1561 zuerst in Anna- 
berg lehrte, wo sie auch, betrauert von 64 Kindern und Enkeln, 
1575 starb. Ihr Grab deckt eine eiserne Platte, daneben steht ein 
ihr von dem Kaufmann Eisenstuck errichtetes Denkmal von Sand- 
stein. Eine nahe Umzäunung enthält die sogenannte heilige 
Erde, welche 1519 vom Pabste geweiht und mit Erde aus Pa- 
lästina vermischt, feierlich über Annabergs gemeine Erde gestreut 
worden sein soll; eine Ruhestätte dort war deshalb sonst nur für 
schweres Geld zu haben und kostet noch jetzt mehr als eine ander- 
würts auf dem Kirchhofe. Eine katholische Kirche hat Anna- 
berg seit 1844, eine Realschule nebst Progymnasium an Stelle 
des aufgehobenen Lyceums seit 1842, eine vom Pöhlberg herab- 
führende Wasserleitung seit 1865; auch ist es Sitz einer Amts- 
hauptmannschaft und eines Hauptzollamtes und wird mit Ehem- 
uitz durch die Eisenbahn verbunden, welche zwischen beiden Städten 
die Zschopau nicht weniger als 19mal überschreitet. 
Zu Annaberg lebte im 16. Jahrhundert als Bergschreiber der 
berühmte Rechenmeister Adam Riese (S. 171). Auch ward hier 
1726 der Kinderfreund Weise geboren, zu dessen Andenken an 
seinem hundertjährigen Geburtstage 1826 eine Stiftung zur Er- 
ziehung armer verwaister Kinder des Erzgebirges feierlich eröffnet 
wurde. — Nur durch das Sehmathal wird von Annaberg getrennt 
Buchholz (5655 Einw., 383 H., Rathhaus 557 m h.), eigent¬ 
lich St. Katharinenberg im Buchholz genannt, nämlich nach der 
der heiligen Katharina geweiheten Kirche, der bergigste Ort Sach- 
sens, dessen Häuser meist einzeln an und auf dem Schottenberge 
und zum Theil so eng liegen, daß sie nicht einmal Höfe haben, 
der aber schöne Waldanlagen besitzt. Die Nähe der beiden Städte 
erklärt sich daraus, daß nach der Theilnng der wettinischen Länder 
im Jahre 1485 die Sehma die Grenze bildete zwischen den alber- 
tinischen und ernestinischen. Daher war auch das erneftinische 
Buchholz der erste Ort in der ganzen Gegend, wo die Reformation 
Eingang fand. Die Kirche enthält ein großes aus 12 Holzbildern 
bestehendes Altargemälde von einem unbekannten Meister aus
	        
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