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durch diese Maßregel den Nationalitätenstreit zurückzudrängen und das
Abgeordnetenhaus zur frachtbringenden Arbeit zu vermögen.
Äußere Politik der Monarchie seit 1878. Nach Kalnoky wurde
Graf Goluchowski Minister des Äußern (1896—1906). Diesem gelang es,
eine Annäherung Rußlands, welches sich in Ostasien ausdehnen wollte, an
Österreich herbeizuführen; bei einer Zusammenkunft der beiden Kaiser in
Mürzsteg (1903) wurde ein einmütiges Vorgehen auf dem Balkan ver-
einbart, wo die in Mazedonien herrschenden Unruhen eine Störung des
Friedens befürchten ließen. Diese Freundschaft ging jedoch in Brüche,
als die Türkei durch eine Revolution eine konstitutionelle Verfassung er-
hielt und Agitatoren die mohamedanische Bevölkerung Bosniens und der
Herzegowina zum Anschlusse an die Türkei zu bewegen suchten, während
eine großserbische Agitation einen Aufstand der Serben und den Anschluß
der beiden Länder an das Königreich Serbien heimlich betrieb. Hiedurch
sah sich nämlich Österreich, dem die Okkupation, trotz der nominellen
Souveränität des Sultans über die beiden Länder, nur im Sinne eines
dauernden Besitzes übertragen worden war und welches große Summen
zur Hebung dieser verwahrlosten Länder aufgewendet hatte, veranlaßt,
die Okkupation auch äußerlich in eine Annexion zu verwandeln; die
pragmatische Sanktion wurde hiebei vom Kaiser auch auf die beiden
Länder ausgedehnt, der Türkei gleichzeitig das Sandschak zurückge-
geban (1908). Serbien, welches im Vertrauen auf Rußland ohne einen
Rechtsgrund auf die Erwerbung der beiden Länder gehofft hatte, drohte
nun mit dem Kriege, mußte sich aber mit der Tatsache abfinden, da es
die erwartete Hilfe von außen nicht fand, Österreich rüstete und sein
Bundesgenosse Deutschland sich ihm offen an die Seite stellte. Nachdem die
Türkei gegen eine Geldentschädigung für die Staatsgüter auf die Länder
verzichtet hatte, erkannten auch die Großmächte die Annexion an. Die
ganze Aktion führte mit großem Geschick Freiherr von Ährenthal, der
das Ministerium des Äußern nach Goluchowski übernommen hatte (1906).
d) Volkswirtschaft.
Die ganze Periode seit 1848 kennzeichnet der fortschreitende Über-
gang der Monarchie von einem Agrikulturstaate in einen In-
dustriestaat, der sich in Österreich schneller, in Ungarn langsamer voll-
zog. Es wurde die vollständige Freibeit der Produktion, des Gewerbes
and des Handels eingeführt. Diese unbeschränkte Konkurrenz einerseits,
das Anwachsen der Großindustrie und der Maschinenarbeit, sowie des
Großkapitals andrerseits brachte in dem Kleingewerbe und in den Ar-
beitermassen wirtschaftliche Mißstände hervor, zu denen sich die Verschul-
dung des Bauers gesellte. Die Regierungen und die Parlamente suchten