83 
Die Sonne blinkt von der Schale Rand, 
malt zitternde Kringlein an die Wand; 
und wie den Schein er in's Auge faßt, 
da spricht er für sich, indem er erblaßt: 
„Du bringst es doch nicht an den Tag!" 
„„Wer nicht? Was nicht?"" fragt die Frau sogleich; 
„„was stierst du so an? Was wirst du so bleich?"" 
Und er drauf: „Sei nur still! Nur still! 
Jch's doch nicht sagen kann, noch will: 
Die Sonne bringt's nicht an den Tag!" 
Die Frau nur dringender forscht und fragt, 
mit Schmeicheln ihn und Schelten plagt, 
mit süßem und mit bitterm Wort; 
sie fragt und plagt ihn fort und fort: 
„„Was bringt die Sonne nicht an den Tag?"" 
„Nein! Nimmermehr!" — „„Du sagst es mir noch!"" 
— „Ich sag' es nicht!" — „„Du sagst es mir doch!"" 
Da ward zuletzt er müd und schwach 
und gab der Ungestümen nach: 
Die Sonne bringt es an den Tag. 
„Auf der Wanderschaft — 's sind zwanzig Jahr' — 
da traf es sich einst gar sonderbar. 
Ich hatt' nicht Geld, nicht Ranzen, noch Schuh', 
war durstig und hungrig und zornig dazu: 
Die Sonne bringt es an den Tag. 
Da kam mir just ein Mann in die Quer'; 
ringsher war's still und menschenleer. 
Halt! rief ich, du hilfst mir aus der Noth; 
Len Beutel her! Sonst schlag' ich dich todt! 
Die Sonne bringt's nicht an den Tag. 
Drauf sprach er: Vergieße nicht mein Blut; 
acht Pfennige sind mein ganzes Gut! 
Ich glaubt' ihm nicht; ich fiel ihn an; 
er war ein alter, schwacher Mann: — 
Die Sonne bringt's nicht an den Tag. 
So rücklings lag er blutend da, 
sein brechendes Aug' in die Sonne sah; 
da hob er zuckend die Hand empor, . 
da schrie er röchelnd mir in'S Ohr: 
Die Sonne bringt es an den Tag! 
6*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.