Vorwort.
„Sie geben in ihrem Sagenschatze des Thüringerlandes
dem gewöhnlichen Menschen Freude an der Vergangenheit,
dem begabteren zugleich mit dieser Freude den Genuß der
Gegenwart, dem Dichter ein Herz die Vergangenheit zu
lieben, die Gegenwart zu genießen, für die Zukunft zu
leben. Mit Freude erfüllt mich der Zauber eines Landes,
das meine ganze Seele erfüllt: dies ist der Dank, den ich
Ihnen zu bieten habe. Die alten Geschichten des Thüringer¬
landes, der stets neue Zauber der Natur mit seinen Ge¬
heimnissen und seinen Offenbarungen, das alles ist mehr
geeignet unserem Empfinden einen festen Halt und Grund
zu geben als die allgemeinen Weltgefühle, die uns an keinen
Raum, an keine Zeit binden. Liebt, bewundert, kennt man
die kleine Welt, die uns umgibt, genau, wird man die
große Welt auch besser verstehen und lieben lernen."
Mit diesen Worten sprach Maximilian Wolfgang von
Goethe, des Dichters Enkel, Ludwig Bechstein „den Dank,
den er schon lange in sich hegte" für die Sammlung der
Thüringer Sagen aus. *)
Ähnlichen Gedanken und Empfindungen ist die nach¬
stehende Zusammenstellung entsprungen, die ihre Entstehung
einer Anregung des Verfassers verdankt, welche von dem
Herausgeber und dem Verlag der Hesselschcn Lesebücher be¬
reitwillig aufgenommen wurde. Zunächst für höhere Mäd¬
chenschulen bestimmt, dürfte die Sammlung auch den höheren
Knabenschulen in Thüringen willkommen sein, denen ein
Lesebuch, das sich die Einführung in den reichen und wert¬
vollen Stofs der Heimatkunde zum Ziele setzt, noch fehlt.
*) Brief an L. Bechstein vom 28. Mai 1839, mitgeteilt von Or.
Otto Klein (Bitterfeld) im „Leipziger Tageblatt" vom 25. Oktober 1910.
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