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Aus der Geschichte des Mittelalters.
Angriffe der Mohammedaner. Überraschend groß waren die
Erfolge des ersten Angriffs der Araber. Im Laufe eines Jahrzehnts
waren Jerusalem, Antiochien und Alexandrien erobert, Syrien,
Ägypten, Kyrenaika gewonnen. Am Nil blühte die Siegesstadt
Kairo nicht weit von der Stelle des alten Memphis auf. In Ägypten be¬
grüßten die Bewohner die Mohammedaner als Befreier vom oströmischen
Joche, sie gewannen gegen Zahlung der Kopfsteuer vollkommene Freiheit
in Lehre und Kultus; viele Übertritte von Christen fanden statt.
Abu Be kr, der erste Kalif, hatte den kühnen, siegreichen Omar
zum Nachfolger ernannt. Dieser begründete das Arabische Weltreich, indem
er Palästina (Omar-Moschee in Jerusalem) und Ägypten eroberte und von
da seine Herrschaft bis Tripolis und zur Mitte Irans ausdehnte; nach
dessen Tode wünschten viele Araber Alt, den Gemahl der Lieblings-
tochter des Propheten, als Kalifen. Aber erst nach des Omaijaden
Othman Tode wurde er anerkannt. Sogleich entbrannte der erste der
inneren Kriege, an denen die Geschichte der islamitischen Völker reich ist:
der Omaijade Moawijah trat gegen Ali auf. Da Ali die Sunna
nicht anerkannte, so wurde ihre Feindschaft durch einen religiösen Gegen¬
satz vertieft.
Moawijah behielt die Oberhand und verlegte seinen Sitz nach
Damaskus. Unter ihm wurden die Eroberungen im Osten bis nach
Bo chara ausgedehnt und Konstantinopel zur See angegriffen. Unter
seinen Nachfolgern wurde der Nordrand von Afrika bis zum Atlan¬
tischen Meere erobert. Walids Unterfeldherr Tarif betrat bei Gibraltar
dm Boden Europas; er vernichtete 711 bei Xer es de la Frontera das
Heer des letzten Westgotenkönigs und begann die Unterwerfung der
Pyreuäenhalbinsel. Abderrhaman drang in Aquitanien ein und
fand 73*2 in der Schlacht bei Poitiers gegen Karl Martell seinen
Tod. Dies Schlachtfeld ist der nördlichste Punkt, den der Islam im west¬
lichen Europa erreicht hat.
Als die Araber um 700 Europa betreten hatten, waren hier noch
alle Verhältnisse im Fluß. Zwar die germanischen Stämme hatten in
West- und Mitteleuropa feste Wohnsitze gefunden, aber die Slawen im
Osten wanderten noch. Die auf dem Boden des ehemaligen Weströmischen
Reiches angesiedelten Germanen waren Christen, östlich vom Rhein
lebten Germanen und Slawen im Heidentum. Daß in Europa
einmal die christliche Religion siegreich sein würde, war noch nicht
entschieden. Für den Westen und die Mitte des Erdteils ist ihre Herr¬
schaft erst durch den Sieg Karl Martells gesichert worden. Die
gleiche Bedeutung haben für den Osten Europas die tapferen Verteidi¬
gungen von Konstantinopel (668—675 und 715—718 durch Leo den
Jsaurier). Nur dadurch, daß das Byzantinische Reich jahrhundertelang
den Arabern wie ein festes Bollwerk entgegenstand, wurde die Christiani¬
sierung von Osteuropa möglich.