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verwandt. — Während sich Platon in Athen vom politischen Leben zurückzog und
ganz auf die Wirksamkeit in der Akademie beschränkte, versuchte er in Syrakus, wohin
er auf Einladung der Dionyse und des Dion mehrmals kam', sein politisches Ideal
von einem Staate, in welchem die Besten herrschen, in welchem die Bürger Güter-
gemeinschaft pflegen und alles Unedle (auch die Dichter mit ihren herabwürdigenden
Vorstellungen von den Göttern) ferngehalten wird, zu verwirklichen, scheiterte aber an
der rauhen Wirklichkeit.
Aristoteles, der ein Schüler Platous gewesen war, rief die Philosophie
von den überirdischen (transcendenten) Dingen wieder zur Erklärung der bestehenden
Welt zurück *. Nach Aristoteles besteht die Glückseligkeit und die Aufgabe des tüch-
tigeu Menschen in der vernünftigen Tätigkeit der Seele. Gott zeigt
sich uns in der Zweckmäßigkeit alles Bestehenden. Die anthropomorphischen Vor-
stellungen von den Göttern, welche Platon bekämpfen zu müssen glaubte, ^fobigte
Aristoteles keiner Widerlegung. Aristoteles bearbeitete fast alle Zweige menschlicher
Erkenntnis, viele als der erste und mustergültig für alle Zeiten, namentlich die Logik,
Rhetorik und Poetik, die Ethik und Politik, endlich auch die verschiedenen Teile der
Naturwissenschaften8.
b) Die bildende Kunst schritt in diesem Zeitraum von der ernsten
Schönheit weiter zum Gefälligen und zum anmutig Schönen, von der er»
habenen Ruhe zur leidenschaftlichen Bewegtheit. Dies zeigt sich namentlich
in der Plastik, die in Skopas, Praxiteles und dem etwas späteren
Lhsippus noch drei große Meister aufweist. Die griechische Malerei er-
reichte mit Zeuxis und Parrhasius und dem etwas späteren Apelles
ihre höchste Ausbildung.
-»Die Baukunst dieser Epoche bildete den korinthischen Stil aus, s. S. 76.
Auch auf Privatbauten wurde jetzt größerer Luxus verwendet; vgl. Dem. Olynth.
III, 29: evioi rag lölag olxlas r<5r dripooiov olxoöoprjpdTMv as^voxiQag eloi
yiaTeoytEva<j[A£voi. — Das berühmte Grabmal des Königs Mausolus (s. S. 9<) in
Halikarnaß (das „Mausoleum") bezeichnete eine Vereinigung des griechischen Stils mit
asiatischer Bauweise.
Auf die Zeit des Skopas und Praxiteles geht die in den Uffizien zu
Florenz aufbewahrte Gruppe der Niobe und ihrer sterbenden Kinder zunlck; der
Hermes von Praxiteles ist S. 36 erwähnt. Lysipp war Meister ttn Erzguß. Auch
der Apoll von Belvedere sowie viele Porträtstatuen und Büsten stammen ans dieser
Zeit; vgl. S. 79® und S. 982; die in Neapel aufbewahrte Büste des blinden Homer
gehört der folgenden Kunstepoche an.
1 In Unteritalien lernte Platon auch ArchKas von Tarent kennen, der die
pythagoreische Lehre eigenartig weitergebildet hatte; vgl. auch Hör. od. I, 28.
2 Vgl. Rafaels schönes Wandgemälde im Vatikan, welches gewöhnlich „bie
Schule vou Athen" genannt wird.
1 In den Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. fällt auch die Begründung der
medizinischen Wissenschaft durch Hippokrates aus Kos (t um 370); auch Aristo-
teles war der Sohn eines Arztes und ging von dem Studium der Naturwissenschaften
aus, Platon dagegen von den Geisteswissenschaften, namentlich der Dialektik und der
Mathematik.