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Klagen (Tristien und Briefe von Pontns) nach Rom sandte, ohne jedoch die Erlaub-
ms zur Rückkehr zu erlangen.
Auch zur prosaischen Behandlung der römischen Geschichte regte Augustus
an. Von ihm ermuntert, schrieb der Redelehrer T. Livius aus Patavium (59 vor
—17 n. Chr.) seine 142 Bücher ab urbe condita, von welchen Buch 1 — 10 und
21-45 ganz, die übrigen durch Inhaltsangaben (s. S. 185'*) erhalten sind.
Livius, dessen Darstellung von patriotischem und sittlichem Gefühl erwärmt ist, wurde
nicht nur bei den Römern viel gelesen, sondern blieb auch bei der Nachwelt maß-
gebend für die Behandlung der römischen Geschichte, bis die Gelehrten der neueren
Zeit, namentlich der Deutsche Niebuhr (f 1831), die unkritische Methode des römischen
Geschichtschreibers erkannten. — Die Baukunst, die einzige unter den bildenden
Künsten, in welcher die Römer sich von der bloßen Nachahmung der Griechen zur
Selbständigkeit erhoben, behandelte Vitruvius in seinen 10 Büchern de archi-
tectura.
In der Zeit des Augustus verfaßten zu Rom auch griechische Schriftsteller,
wie der Geschichtschreiber Dionysius von Halikarnaß und der Geograph Strabo, ihre
Werke. Die von Augustus begründeten öffentlichen Bibliotheken enthielten
neben den römischen Büchern auch die Meisterwerke der griechischen Literatur. Über-
Haupt machte die Verschmelzung des römischen und des grieckischen Wesens, welche in
der Zeit der Scipionen begonnen hatte, in der Kaiserzeit weitere Fortschritte.
III. Die auswärtigen Unternehmungen des Augustus.
Nach seinem Triumphe i. I. 29 v. Chr. hatte Oetavian den Janus-
tempel schließen lassen; auch später war seine Regierung friedliebend und
zunächst auf die Sicherung der Reichsgrenzen berechnet.
a) Im Westen. Die kriegerischen Kantabrer und Asturer in Spanien
wurden durch mehrere Feldzüge (26—19 v. Chr.) unterworfen.
b) Im Osten. Die von Unterfeldherren unternommenen Züge gegen
Arabien und Äthiopien verliefen erfolglos, dagegen wurde der Part her-
könig Phraätes durch das Erscheinen des Kaisers im Orient bewogen,
die einst dem Crassus und dem Antonius abgenommenen römischen Feld-
zeichen zurückzugeben (20 v. Chr.) und den Euphrat als Grenze an-
zuerkennen.
Dieser Erfolg wurde vielfach gepriesen (*vgl. Hör. carm. IV, 15, 6 ff, u. ö.);
einen Gegenstand zu ferneren Verwicklungen bildete Armenien, wo römischer Einfluß
mit dem parthifchen stritt.
c) Im Norden. Augustus richtete das von seinem Großoheim
eroberte Gallien als Provinz ein: durch geordnete Steuerverwaltung, durch
Errichtung von römischen Städten und Schulen wurde die Romanisierung
des Landes angebahntL. Auch gelang die Unterwerfung der Donauländer,
1 Gallien wurde in drei Provinzen geteilt: Aqnitania, Gallia Lugduuensis und
Belgica, doch bildete die colonia Lugdunensis (Lyon), wo die ara Romae et Augusti
stand, den gemeinsamen Mittelpunkt Gesamtgalliens.